Jaffa Road: Roman (German Edition) by Daniel Speck

Jaffa Road: Roman (German Edition) by Daniel Speck

Autor:Daniel Speck [Speck, Daniel]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Fischer e-books
veröffentlicht: 2021-03-23T23:00:00+00:00


Aziz stellte gerade die letzten Stühle auf die Tische, als sie an seinem Café vorbeikamen.

»Abu Bashar! Was ist passiert?«

»Salam, ya Aziz. Alles in Ordnung, alhamdulillah.«

Aziz sah das Blut auf seinem Hemd. Er warf Amal einen schnellen Blick zu und führte ihn sofort nach drinnen. Georges war zu schwach, um Widerstand zu leisten. Aziz räumte einen Tisch frei, und Georges setzte sich dankbar.

»Waren das die Soldaten?«

»Nein. Mein Sohn.«

»Bist du verletzt?«

»Nein, nur etwas müde.«

»Soll ich Doktor Hashem rufen?«

»Nein! Bring mir ein Glas Wasser!«, sagte er zu Amal. Sie ging in die Küche, während Aziz mit einer Serviette das Blut aus Georges’ Gesicht wischte. Amal gab ihrem Vater zu trinken. Langsam wurde sein Atem ruhiger.

»Wenn du nach Hause kommst«, sagte Aziz, »wird er sich entschuldigen. In seinem Alter waren wir alle Hitzköpfe.«

Aziz ging zum Tresen und holte eine Flasche Anisschnaps aus dem Regal. Georges stützte seinen Kopf in die Hände und sagte leise zu Amal:

»Was hätte ich denn machen sollen? Ich musste euch in Sicherheit bringen.«

Er fasste Amals Hand. Sie spürte, dass er zitterte. Sie hatte ihren Vater noch nie so verunsichert erlebt. Nicht einmal 1948, diesem verfluchten Jahr, dem er nie entkam. 1948 war der Sprung in seiner Schallplatte.

»Du musst auf Jibril aufpassen«, sagte er. »Ich kann ihn nicht mehr …«

Er biss die Zähne zusammen, um nicht zu weinen. Nicht vor seiner Tochter. »Was soll ich tun, ya Amal?«

Amal wusste nicht, was sie antworten sollte. So eine Frage hatte er noch nie gestellt. Väter fragten so etwas nicht. Väter waren allwissend. Aziz stellte zwei Arakgläser auf den Tisch und stieß mit Georges an.

»Sahha! Hör zu, Georges, du wirst Jibril nicht aufhalten können. Wer soll Palästina befreien, wenn nicht die Jungen?«

»Ich hab schon einen Sohn verloren.«

Es war das erste Mal, dass er es offen aussprach. Dass Bashar nie zurückkommen würde.

»Allah möge seiner Seele gnädig sein«, murmelte Aziz. Allah, an den er nicht mehr glaubte. Denn Aziz glaubte an einen Juden namens Marx und einen Atheisten, der verbotene Dinge in einer Zeitschrift schrieb, die Aziz unter seinem Tresen versteckte: Dr. Georges Habbash, ein Kinderarzt aus einer christlichen Familie. Er war in Lydda geboren worden und in Jaffa aufs Gymnasium gegangen. Alle redeten voller Bewunderung von ihm. Amal hatte ihn selbst gesehen, nur einmal, ganz kurz, im Juli ’48 in Lydda. Auf dem Marsch der Zehntausenden hatte er die Verletzten versorgt und die Toten am Wegrand beerdigt. Später leitete er eine Volksklinik in Amman, impfte die Flüchtlingskinder gegen Tuberkulose und begeisterte die Jugendlichen mit seinen politischen Ideen. Er gründete die Arabische Nationalbewegung, deren Ziel es war, die arabischen Diktatoren zu stürzen und alle Araber zu vereinen. Keine Grenzen, keine Religionen, keine Clans. Eine säkulare Nation, die stark genug sein würde, um Palästina zu befreien. Die jordanischen Soldaten durchkämmten die Flüchtlingslager nach ihm und seinen Anhängern. Das waren die Jugendlichen, mit denen Jibril auf der Mauer saß und rauchte. Die Leute, von denen Georges seinen Sohn fernhalten wollte. Denn noch ein Verlust würde seine Seele brechen.

Was also sollte Amal ihrem Vater antworten? Wenn er Jibril verbot,



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