Jack Taylor auf dem Kreuzweg by Ken Bruen

Jack Taylor auf dem Kreuzweg by Ken Bruen

Autor:Ken Bruen
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Deutsch von Harry Rowohlt
Herausgeber: Verlag Friedrich Oetinger
veröffentlicht: 2012-05-14T16:00:00+00:00


16

»Wenn man ein Kreuz in der Tasche trägt,

kann einem kein Leids geschehen.«

Irischer Priester in seiner Predigt

(Kommentar eines Kirchgängers:

»Es ist nicht das Kreuz in seiner Tasche,

vor dem wir uns in Acht nehmen müssen.«)

Als ich zu mir kam, war mein erstes Gefühl Erleichterung, weil ich nicht getrunken hatte. Dann sah ich auf die Uhr, und mir wurde mit Entsetzen klar, dass ich fast achtzehn Stunden lang weg gewesen war, und … ich hatte Hunger.

Meine rechte Hand pulsierte vor Schmerz, aber nicht so schlimm wie erwartet. Der Typ in der Gasse, wie mochte es dem gehen? Ich duschte, machte mir einen Arschtritt-Kaffee und zog mir ein weißes Hemd, saubere Jeans und ein Tweedjackett an, das ich im Wohltätigkeitsladen gekauft hatte. Es war mit Lederflicken an den Ärmeln, und wenn ich eine Pfeife gehabt hätte, wäre ich als Figur aus einem Roman von John Cheever oder als Professor auf der schiefen Bahn durchgegangen. Während der Rasur riskierte ich einen Blick auf meine Augen im Spiegel. Es waren nicht die Augen eines Killers, aber das gibt’s sowieso selten. Mörderische Schweinehunde, die ich kennengelernt hatte – und ich hatte überdurchschnittlich viele kennengelernt –, fielen stets durch richtig nette Augen auf.

Ich hörte kurz Nachrichten, und sie erwähnten einen Mann, der in einer Gasse gefunden worden war, Opfer eines Raubüberfalls, derzeit auf der Intensivstation. Seufzte ich vor Erleichterung?

Nein.

Ging vor die Tür, meine inzwischen übliche Strecke hoch auf den Platz, um zu sehen, welche Fortschritte die Renovierungsarbeiten machten.

Gar keine.

Richtung Stadtmitte abgebogen, an Fallers Laden vorbei, mit einem Schmerzlein des Bedauerns die Reihen goldener Claddagh-Ringe angestarrt, dann über die Straße und ins Eyre Square Centre. Da haben sie ein Restaurant, wo immer noch Herzinfarkt-Fraß serviert wird – Gebratenes, tonnenweise Cholesterin und keine Ermahnungen. Ich bestellte das Tagesgericht, einmal mit allem, die gesamte Verklumpe-deine-Arterien-Sauerei: kleine Bratwürstchen, zwei normal fette Würste, Blutpudding, gebratenes Ei, reichlich Toast, Kanne Tee. Bekam hinten einen Tisch und hatte halb aufgegessen, als meine Nemesis erschien.

Pater Malachy.

Er fragte nicht, ob er sich zu mir setzen darf, setzte sich einfach hin, klagte an: »Wo warst du?«

Ich war mitten an der zweiten Wurst dran und brauchte eine Sekunde zum Antworten. Malachy, um ein schweres Wortspiel anzubringen, glomm vor Wut, weil er nicht rauchen durfte. Hier hatten wir einen Wahnsinnigen, der morgens gegen vier den Rauchalarm auslöste. Das Leben war für ihn schlicht eine Irritation zwischen zwei Zigaretten. Er hatte die Blässe des Rauchers, das tief in Falten gelegte Gesicht und das leichte Keuchpfeifen, das fast wie Gesumm klang.

Ich beschloss, die Wahrheit zu sagen, nichts, woran die Kirche sich bisher gewöhnt hätte.

»Ich habe geschlafen.«

Er war wütend, spie: »›Ausgeschlafen‹ trifft es wohl eher.«

Ich ließ mich von dem Blödmann nicht aufregen. »Ich trinke nicht.«

Er schnaubte. Es kam durch seine Nasenlöcher und war kein schönes Geräusch, besonders, wenn man ein halbes Frühstück intus hatte.

Er sagte: »Du hast die Beerdigung verpasst. Dein Freund wurde begraben, und du hast dir nicht mal die Mühe gemacht, deinen Arsch aus dem Bett zu hieven?«

Ich hielt meine Stimme ausgeglichen, während ich mir eine Tasse Tee einschenkte.

»Ich wurde gebeten, nicht anwesend zu sein.



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