Ins Eis by Karen Nieberg

Ins Eis by Karen Nieberg

Autor:Karen Nieberg
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-06-16T22:00:00+00:00


Fredrik überraschte alle, indem er vorsprang, den Zettel abriss, zusammenknüllte und auf den Boden warf. Seine Schultern bebten. Elisabeth eilte ihm nach und schlang einen Arm um ihn. Hartmut allerdings hob den zusammengeknüllten Zettel wieder auf, faltete ihn auseinander und glättete ihn. Seine Lippen waren zusammengepresst, er sagte kein Wort. Tobias riss ihm den Zettel aus der Hand und las den Schriftzug selbst. Seine Lippen formten lautlos die Silben. Ingrid fragte, was die Worte bedeuteten. Es war Oda, die für sie übersetzte. Unterdessen reichte Tobias das Papier an Peter weiter. Von seinem Platz am Rande der Gruppe sagte Tim: »Wie viele Fingerabdrücke wollt ihr denn da noch draufbringen?«

»Fingerabdrücke?«, fragte Elisabeth, grau im Gesicht. »Warum?«

»Wir haben einen Toten mit Kopfschuss. Und jetzt eine Drohung.« Sorgfältig legte Peter das Stück Papier auf einem der Tische ab. Sein Oberkörper war nackt; die Füße steckten in Badeschlappen. Kirsten war aufgefallen, dass Ingrids Blick an Peters Schulter geklebt hatte, als er an ihr vorbei nach dem Zettel griff, weshalb sie sich jetzt ein wenig hinter ihn schob, um zu sehen, was Ingrids Aufmerksamkeit erregt hatte. Ein rot umrandeter, fingernagelbreiter Kratzer zierte Peters Schulter.

»Fredrik hatte ebenfalls eine Drohung an seiner Tür stehen«, sagte Kirsten. »Das war an dem Tag, an dem ich ankam. Aber das war anders, auf Norwegisch und mit Kreide geschrieben. Wir dachten, es sei ein Scherz.«

»Was stand dort? Wieso hast du mir das nicht erzählt?« Elisabeth fuhr zu Fredrik herum. Sie war ungeschminkt, bleich, die Falten um ihre Augen ein dünnes Netz, doch das Aufgewühlte gab ihrem Gesicht eine bewegte, anziehende Plastizität, welche andere Türen öffnete als ihre sonst beherrschte Eleganz.

»Da stand die Frage, ob er hier sei, um zu sterben.« Kirsten hatte den Satz nicht zu Ende gesprochen, da spürte sie einen Stoß im Rücken. Unbeachtet von allen war Monika aus ihrer Kajüte getreten. Sie trug Jeans, einen Rolli und leichte Turnschuhe. Sie hatte ihren Winteranorak übergeworfen, er stand offen; aus den Jackentaschen quollen ihre Handschuhe hervor.

»Was hast du gesagt?«, schrie sie Kirsten an, und Speicheltropfen landeten in Kirstens Gesicht. »Es gab eine Drohung, noch bevor wir hier herkamen? Dass jemand sterben würde? Du und Fredrik, ihr habt das gewusst und uns nicht gewarnt?«

Überrumpelt konnte Kirsten nur stammeln: »Wir haben das nicht ernst genommen. Es schien ein dummer Streich, die Antwort auf einen Artikel in der Lokalzeitung über Fredrik. Glaub mir, wir hätten nie …«

»Ich halte das alles nicht mehr aus!« Monika schlug mit den Armen um sich wie ein panischer Schwimmer. Ihre paddelnden Schläge trafen Kirstens Schulter, streiften über Elisabeths hochgehobenen Arm und Peters nackte Brust. Sie stolperte auf den Tisch zu, wo das handbeschriebene Blatt von Hartmuts Tür lag. Eine Sekunde lang starrte sie es bloß an, schien es durch die Tränen hindurch nicht lesen zu können oder es nicht zu verstehen.

Tanja grapschte an ihr vorbei und hielt ihr das Papier direkt unter die Nase. »Da!«, kreischte sie. »Schau hin! Es geht nicht nur um deinen Erland. Jetzt ist es Hartmut! Warst du das?« Monikas Kopf ruckte zurück, um dem Blatt und Tanjas Hand, die es hielt, auszuweichen.



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