Ich trage das Glück in meinem Herzen. Sternstunden der Liebe by Elsa von Eckartsberg

Ich trage das Glück in meinem Herzen. Sternstunden der Liebe by Elsa von Eckartsberg

Autor:Elsa von Eckartsberg [von Eckartsberg, Elsa]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105608678
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2016-03-18T16:00:00+00:00


Nehmen wir dieses Gedicht beim Wort, so sagt Rilke hier etwas davon aus, wie tief er schon jetzt von Paula fasziniert ist, da er in ihr einen Menschen gefunden hat, in dem er sich wiedererkennen kann, das heißt einen ebenbürtigen, Gleiches empfindenden, der seine Sprache spricht, die geheimste Sprache seiner Seele, die er nur den wenigsten Menschen soweit anvertraut hat. Er fühlt, daß sie beide – als Mensch und als Künstler – einander ähnlich sind wie Geschwister.

Es ist eines jener unausschöpfbaren Mysterien des Lebens, daß Rilke sein höchstes geistiges Einheitserlebnis mit einer Frau, mit Paula, einen Tag nach deren Verlobung mit Otto Modersohn, von der er ja nichts wußte, da sie geheimgehalten wurde, erfährt.

Merkwürdigerweise hatte er zuvor noch, gerade an jenem Tage, Otto Modersohn selbst für etwa zwei Stunden besucht und war danach, tief von dessen Anschauungen, Lebensart und Malweise beeindruckt, voll Dankbarkeit und Stimmung zu Paula gegangen, die gerade in ihrem kleinen Atelier in einem seiner Gedichtbände las.

Obwohl Rilke sich im Gespräch, das sich nun zwischen ihnen entfaltete, sehr bald in eine Reihe äußerst schwieriger Gedankengänge, seine Kindheit betreffend, verstrickte, hatte er doch das beruhigende Gefühl, daß Paula ihn vorbehaltlos verstand, ja, daß sie ihn wie wohl kein zweiter Mensch sonst begriff, «im Vergangenen und im Kommenden». Beiden schien es, als ob sie einen «Augenblick Ewigkeit» erreicht hätten. Oder «das Erwachen der Steine, Tiefen dir zugekehrt», wie Rilke es von einer solchen Begegnung seit je ersehnt hatte.

«Erstaunt und schaudernd schauten wir uns an, wie zwei, die unvermutet vor dem Tor stehen, hinter dem schon Gott ist …», schrieb er, fast überwältigt von diesem Erlebnis, zwei Tage später in sein Tagebuch.

In Paula war er einem Menschen begegnet, der, ihm gleich, noch das Unausgesprochene oder Unaussprechbare hörte und in sich aufnahm und es auch unausgesprochen beantworten konnte: «Und nach vielen Worten, welche nur Klang waren, kam die große redende Schweigsamkeit.»

Immer schon war Rilke von der Sprache, die Engel sprechen müßten, fasziniert gewesen, der schweigendekstatischen «Verkündigung», um die einige seiner Gedichte zu dieser Zeit kreisen.

Manchmal konnte es sogar geschehen, daß er sich selbst als einen solchen «Fremden» aus fernen Reichen empfand, völlig hingegeben seiner Schau Gottes.

Paula aber war die Frau, die wohl als einzige sein Geheimnis zu dieser Stunde erriet, ihn wie seinen Verkündigungsengel «bis tief in seine Himmel» gehen sah, in einer geistigen Intuition, die nur tiefste Liebe zu einem anderen Menschen zu geben vermag.

Von diesem Abend an wußte Rilke – in ebenfalls fast hellseherischer Sicht –, daß ihnen beiden eine jener seltenen und fast einzigartigen Stunden vergönnt war, die wir hier als «Sternstunden» bezeichnen möchten.

Wie kaum ein anderer Dichter hat Rilke dafür ergreifende Worte gefunden, als er, noch im vollen Gefühl der Tiefe seiner Begegnung mit Paula, schreibt:

Zu solchen Stunden gehn wir also hin

und gehen jahrelang zu solchen Stunden;

auf einmal ist ein Horchender gefunden –

und alle Worte haben Sinn.



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