Houston, Houston! by James Tiptree Jr

Houston, Houston! by James Tiptree Jr

Autor:James Tiptree Jr. [Tiptree, James Jr.]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Septime Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Houston, Houston, bitte kommen!

Lorimer lässt seinen Blick durch die große vollgestopfte Kabine wandern und versucht, die Stimmen auszumachen und gleichzeitig das Ziehen in seinen Eingeweiden zu ignorieren, das stets einer unangenehmen Erinnerung vorausgeht. Es hilft nichts, er muss ihn noch einmal durchleben, jenen lange zurückliegenden Augenblick. Als er blindlings in diesen sonderbaren Waschraum in der Evanston Junior Highschool stolperte – oder wurde er gestoßen? Er sieht es noch genau vor sich, sein Hosenschlitz stand offen und er hatte seinen blassen Pimmel in der Hand, eingerahmt von den grauen Zähnen des Reißverschlusses seiner Jeans. Schweigen. Gestalten, Gesichter, die sich zu ihm umdrehen und mit denen etwas ganz und gar nicht stimmt. Lautes Gekicher. Mädchen. Er war im Mädchenklo.

Er zuckt zusammen, noch so viele Jahre später, wendet den Blick von den Frauen ab. Über seinem Kopf wölbt sich die Kuppel, um ihn herum ihre fremdartigen Dinge: der Perlenständer, der Webstuhl der Zwillinge, Andys Lederarbeiten, die verdammten Kudzu-Ranken, die sich um alles herumwinden, die Hühner. Alles so nett … Er sitzt in der Falle, das ist es. Für alle Zeiten gefangen in dem, was er nicht leiden kann. Strukturlosigkeit. Persönlichem Kram, nichtssagendem Schnickschnack. Den Ansprüchen, die er irgendwie nie erfüllen kann. Ginny: Nie sprichst du mit mir … Ginny, Liebes, denkt er unwillkürlich. Der Schmerz bleibt aus.

Das glucksende Lachen von Bud Geirr bricht über ihn herein. Bud albert hinter dem Schott mit jemandem herum, den er nicht sehen kann. Aber Dave kann er sehen. Major Norman Davis an der gegenüberliegenden Seite der Kabine, das bärtige Profil zu einer kleinen, dunkelhaarigen Frau hinuntergebeugt, die Lorimer nur verschwommen erkennt. Daves Kopf wirkt allerdings seltsam klein und scharf konturiert, tatsächlich wirkt die ganze Kabine irreal. Von der »Decke« ein unvermitteltes Gackern – das Zwerghuhn in seinem Korb.

In diesem Moment entsteht in Lorimer die Überzeugung, dass man ihm eine Droge eingeflößt hat.

Merkwürdigerweise macht ihn das nicht wütend. Er lehnt sich zurück, besser gesagt kippt er, treibt mit gekreuzten Beinen in der Schwerelosigkeit, lässt seinen Blick zu der Frau wandern, mit der er gesprochen hat. Connie. Constantina Morelos. Eine große, mondgesichtige Frau in einem weiten grünen Zweiteiler. Er hat sich nie etwas daraus gemacht, sich mit Frauen zu unterhalten. Ironie des Schicksals.

»Ich schätze mal«, sagt er laut, »dass wir in gewissem Sinn gar nicht hier sind.«

Das klingt nicht allzu klar, aber sie nickt interessiert. Sie beobachtet meine Reaktionen, sagt sich Lorimer. Frauen sind von Natur aus Giftmischerinnen. Hat er das auch laut gesagt? Ihr Gesichtsausdruck verändert sich nicht. Auf die Nähe sieht er langsam wieder erfreulich scharf. Connies Haut wirkt frisch, gesund. Nach zwei Jahren im Weltall noch Farbe im Gesicht. Sie war Bäuerin, erinnert er sich. Große Poren, aber nicht so zugekleistert, wie er es von Frauen ihres Alters üblicherweise erwartet.

»Sie haben wahrscheinlich nie Make-up getragen«, sagt er. Sie sieht ihn verständnislos an. »Schminke, Puder. Keine von Ihnen.«

»Ach so!« Ihr Lächeln entblößt einen abgebrochenen Schneidezahn. »Doch, ich glaube, Andy schon.«

»Andy?«

»Für Theaterstücke. Historienstücke. Dafür hat Andy ein Talent.«

»Klar. Historienstücke.«

Lorimers Gehirn scheint sich auszudehnen, Licht hereinzulassen. Er erfasst jetzt alles sehr schnell, Millionen Einzelteile verbinden sich zu Mustern.



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