Glaube in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik by Juliane Schüz

Glaube in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik by Juliane Schüz

Autor:Juliane Schüz
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2018-02-15T00:00:00+00:00


8.3.2 Das Selbstverständnis in Analogie zu Kreuz und Auferstehung

Inhaltlich bedeutet die Erkenntnis Christi als Urbild aller Menschen, dass der Gläubige ein „Gleichnis“ (IV/1, 860) und eine „Analogie“ Christi sein will, was bedeutet, dass er „in einer höchst direkten und intimen Beziehung“ zu Christi Werk stehen will (IV/1, 859).857 Damit beschreibt Barth,

„daß der Mensch seine Existenz, genauer gesagt: sein Verständnis und Erfassen seiner Existenz, seine Einstellung sich selbst und der Welt gegenüber, dem der für ihn, der als sein Herr an seine Stelle getreten ist, gewissermaßen parallel schalten, sich in Entsprechung zu ihm, an den er glaubt, gestalten muß, daß er nur noch im Gleichnis Jesu Christi als des für ihn Gestorbenen und Auferstandenen Mensch sein kann und will.“ (IV/1, 860)858

Die menschliche Entsprechung und Analogie zu Jesus Christus wird durch dessen Kreuz und Auferstehung bestimmt. Diesen beiden entsprechen jeweils die Überwindung der Sünde und die Herstellung des neuen Lebens: So wie Christus am Kreuz die Sünde besiegt hat und von den Toten auferweckt wurde, so überwindet der Mensch sein altes Sein und wird zu einem neuen Sein hergestellt. Der Unterschied der zwei Relate in dieser Analogie – dem zufolge das analogans die Analogie aktiv herstellt, das analogatum dieser gleichsam passiv entspricht – besteht dabei für Barth insofern fort, als Jesus Christus die Analogie begründet und ermöglicht. Daraufhin wird der Mensch zu seiner analogen Tat ermächtigt und kann selbst aktiv in Analogie zu Christus leben:

„Er betätigt sich darin als Christ, daß er gerade nur noch im Gleichnis Jesu Christi, seines Todes und seiner Auferstehung – beides: in herzlicher mortificatio und in herzlicher vivificatio da sein kann und will.“ (IV/1, 859 f.)

Die mortificatio des Kreuzes (1) und vivificatio der Auferstehung (2) bilden demnach die Grundcharakteristika und den Rahmen für das neue christliche Selbstverständnis. Sie markieren „den Anfangs- und Zielpunkt des Weges“ eines Christenlebens (IV/1, 861).

Im Folgenden soll untersucht werden, wie diese zwei traditionellen Bestimmungen von Barth in der Erkenntnis des Gläubigen verankert werden und inwiefern aus dieser Erkenntnis eine zu Christus gleichnishafte Gestalt des gläubigen Lebens folgt.

(1) Die Überwindung der Sünde wird von Barth mit dem Kreuz Christi als analoge mortificatio korreliert: In Christus findet der Mensch seinen eigenen Hochmut und seinen eigenen Fall überwunden (vgl. IV/1, 861). Damit sei auch die „Not der Gefangenschaft“ in der Sünde, die dem Menschen selbst unüberwindlich war, aufgehoben (IV/1, 861). Der Mensch erkennt in Christi Hingabe am Kreuz, dass auch er selbst nicht mehr zwanghaft sündigen muss. Dabei betont Barth, dass die Überwindung dem Gläubigen im Blick auf sein neues Sein in Jesus Christus de iure unwiderruflich gilt, mit Blick auf sich selbst die Sünde de facto jedoch noch nicht ganz überwunden ist (vgl. IV/1, 862).859 Schaut der Christ auf seine eigene Vergangenheit, bleibt ihm nur der daraus unausweichlich folgende Weg der Sünde. Schaut er allerdings auf Christus, zeigt ihm dessen Geschichte die Überwindung der Macht des Bösen. Diese doppelte Perspektive auf die sündige Vergangenheit im eigenen Leben dürfe nicht zu einem Beharren in der eigenen Schuld führen, wie es eine „[b]öse Theologie des Beharrens in der Ungleichheit“ zu Christus lehren würde (IV/1, 862).



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