Geschichte der Reformation by Thomas Kaufmann

Geschichte der Reformation by Thomas Kaufmann

Autor:Thomas Kaufmann
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2016-09-13T16:00:00+00:00


Auf dem Weg zur Abendmahlskonkordie (1528-36)

Bucers Dialog Vergleichung D. Luthers und seins Gegentheyls vom Abentmal Christi (Juni/Juli 1528) stellte den ernsthaften Versuch eines profilierten Vertreters der symbolischen Abendmahlskonzeption dar, die sich verfestigenden Fronten aufzubrechen. Seine Initiative fand das Vertrauen des hessischen Landgrafen Philipp, der die politisch lähmenden Wirkungen des Abendmahlsstreits überwinden wollte und einer theologischen Vermittlungsposition auch theologisch zuneigte. Auf seine Einladung hin fand Anfang Oktober 1529 das Marburger Religionsgespräch statt. Die ausschließlich als theologische Debatte begonnene und geführte Kontroverse über das Abendmahl war seit dem zweiten Speyerer Reichstag zu einem politischen Problem geworden. Die Altgläubigen hatten in Speyer nämlich versucht, wegen des Abendmahlsstreits einen Keil zwischen die evangelischen Stände zu treiben. Die neuerliche Inkraftsetzung des Wormser Edikts, die zur Protestation einiger ›protestantischer‹ Städte und Territorien geführt hatte, ließ die Notwendigkeit eines militärisch-politischen Verteidigungsbündnisses erneut akut werden. Landgraf Philipp, dem weitreichende Bündnispläne auch unter Einschluß oberdeutscher und schweizerischer Städte vorschwebten, sah in einem Religionsgespräch der führenden Theologen beider Lager ein geeignetes Mittel, um die politische Zusammenarbeit der Evangelischen zu erleichtern. Die Tatsache, daß das Religionsgespräch überhaupt zustande kam, dürfte den politischen Rahmenbedingungen geschuldet gewesen sein. Rein theologische Gesprächsinitiativen, wie sie seit 1525 immer wieder einmal angeregt worden waren, hatten bezeichnenderweise keine Wirkungen gezeitigt. Der Verlauf, vor allem aber das Ergebnis des Marburger Religionsgesprächs bezeugen, daß sich die Theologen der in sie gesetzten Aufgabe anzunehmen bereit waren, soweit ihr Gewissen dies zuließ. Die enge Abstimmung zwischen Theologen, Juristen und fürstlichen oder städtischen Politikern wurde fortan ein Strukturelement der reformatorischen Kommunikations- und Entscheidungsprozesse.

An dem Gespräch nahmen Luther, Melanchthon, Zwingli, Oekolampad, Bucer und Kaspar Hedio, Andreas Osiander, Brenz und Stephan Agricola – in Vertretung des Augsburger Predigers Urbanus Rhegius – sowie die Ratspolitiker Ulrich Funk aus Zürich, Felix Frei aus Basel und Jakob Sturm aus Straßburg teil. Die Einbeziehung der städtischen Politiker hing mit Philipp von Hessens Bündnisplänen, über die er mit ihnen verhandelte, zusammen; der Entwurf eines Bündnisvertrages wurde übergeben und später auch unterzeichnet, blieb aber gegenüber der in den Schmalkaldischen Bund einmündenden politischen Entwicklung dann im ganzen doch folgenlos. Die theologischen Hauptverhandlungen in Marburg führten – zunächst in Einzelgesprächen – Zwingli und Melanchthon sowie Luther und Oekolampad am 1. ‌10., alle vier gemeinsam dann am 2. und 3. ‌10. 1529 auf dem Marburger Schloß in Gegenwart des Landgrafen. Mit Rücksicht auf diesen war die Verhandlungssprache Deutsch. Die in Marburg ausgetauschten Argumente bewegten sich im Rahmen dessen, was zuvor jahrelang literarisch vertreten worden war; auch patristische Zeugnisse wurden intensiv einbezogen. Das Gespräch entbehrte nicht dramatischer Höhepunkte und aufschießender Hoffnungen auf Durchbrüche. Besonders die Szene, als Luther auf Zwinglis Behauptung hin, er habe keinen Beweis dafür, daß Christus seiner menschlichen Natur nach an mehr als einem Ort sein könne, eine Samtdecke vom Tisch nahm und auf den »spruch: ›Das ist mein leyb‹, den er mit kreyden hat für sich geschryben«,38 verwies, hat sich der protestantischen Erinnerungskultur eingeprägt. In der eigentlichen Sachfrage kam es zu keiner Annäherung, aber doch zu einem gewissen Abbau der über der literarischen Kontroverse eingetretenen Feindseligkeiten. Eine Fortsetzung des Schriftenkrieges gab es jedenfalls nach dem Gespräch nicht.



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