Fremde unter einem Dach? by Buntfuß Markus;Fritz Martin

Fremde unter einem Dach? by Buntfuß Markus;Fritz Martin

Autor:Buntfuß, Markus;Fritz, Martin
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2014-08-22T00:00:00+00:00


Christian Albrecht

Die Praktische Theologie im Kreis der theologischen Fächer

Theorie der religiösen Praxis des Christentums

Letzter zu sein, ist ein Schicksal, das der Praktischen Theologie schon vor zweihundert Jahren Friedrich Schleiermacher als sachgemäß und angemessen ins Stammbuch geschrieben hat: „Der Zustand der praktischen Theologie als Disciplin zeigt, daß[,] was im Studium jedes Einzelnen das lezte ist, auch als das lezte in der Entwiklung der Theologie überhaupt erscheint.“413 Denn diese Disziplin, die sich im Vergleich zu den anderen theologischen Disziplinen wohl am nachdrücklichsten und vor allem dauerhaft mit ihrem enzyklopädischen Selbstverständnis befasst, ist nicht nur die jüngste unter den theologischen Disziplinen, sie ist vor allem diejenige, die sich – theologiegeschichtlich gesehen – am wenigsten von selbst versteht. Sie ist, anders als die anderen theologischen Subdisziplinen, ein Kind der Neuzeit.

Die Praktische Theologie verdankt sich der spätestens am Ende des 18. Jahrhunderts unabweisbar gewordenen Einsicht, dass die Theologie nicht mehr identisch war mit der Religion, auf die sie sich zu beziehen meinte. Die Praxis des Christentums hatte sich gegenüber der Theologie verselbständigt. Zunehmend kam zu Bewusstsein, dass die wissenschaftliche Theologie die zeitgenössische Praxis des Christentums nicht mehr vollständig zu erfassen und nicht mehr ohne weiteres zu bestimmen vermochte. Die Praxis, die bisher in der Theologie aufgehoben war, trat dieser nun gegenüber und wurde zur Aufgabe der neuzeitlichen Theologie.

Diese neue Aufgabe wurde bald nicht mehr nur so verstanden, dass der Theologie eine neue, zusätzliche Fragestellung zugewachsen war, die sich in das alte Selbstverständnis irgendwie eingliedern ließ. Vielmehr zeigte sich, dass die Theologie im Ganzen in ständiger Rücksicht auf den Unterschied zwischen Religion und Theologie neu aufzubauen und durchzubilden war.

Zugleich wurde aber die Einsicht in den Abstand zwischen der Praxis des Christentums und der theologischen Theorie ebenso wie die Einsicht in die Vermittlungsbedürftigkeit dieser Differenz insbesondere zur Aufgabe einer alten, grundlegend erneuerten Disziplin, der Praktischen Theologie. In ihrer vorneuzeitlichen Gestalt als Pastoraltheologie stellte sie eine Sammlung von Klugheitsregeln dar, die als Umsetzungen der dogmatischen, exegetischen und historischen Erkenntnisse in die Wirksamkeit des Geistlichen mehr oder weniger selbstverständlich waren oder doch sein sollten. Jetzt wuchs dieser Disziplin die neue, zusätzliche Aufgabe zu, die religiöse Praxis als ein eigenes Thema der Theologie insgesamt zu reflektieren.

Damit ist im Grunde die bleibende enzyklopädische Grundaufgabe der Praktischen Theologie benannt. Sie lässt sich in der Tat am besten im Ausgang von Schleiermachers Bestimmung der Praktischen Theologie beschreiben. Es ist geradezu ein Spezifikum der Praktischen Theologie, dass die für sie relevanten enzyklopädischen Probleme bereits von Schleiermacher beschrieben worden sind oder doch in seiner Aufgabenstellung der Praktischen Theologie zu erkennen sind. Und es zählt zur Signatur der Praktischen Theologie, dass die Ansprüche, die Schleiermacher formulierte, bis heute unhintergehbar sind. In meiner Disziplin, der Praktischen Theologie, ist es so, dass die größte Gegenwartsnähe zu erreichen ist, wenn man sich mit Schleiermachers Ausführungen beschäftigt und diese auf die Gegenwart bezieht.

Das will ich im Folgenden tun. Ich beginne an der einleitend markierten Stelle – dort nämlich, wo es um die Begründung der Praktischen Theologie geht. In einem zweiten Schritt werde ich auf den Doppelcharakter der Praktische Theologie zu



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