Fichtes Telefon by Günter Neuwirth
Autor:Günter Neuwirth [Neuwirth, Günter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2016-08-02T23:00:00+00:00
70. Szene
Hoffmann wählte die Nummer von Eberhard Fichte gleich noch einmal. Und wie erwartet, hob der Mann nicht ab. Sehr seltsames Verhalten. Hoffmann steckte sein Handy ein und ging in der Wohnung ein wenig auf und ab. Das Interieur war zweifelsohne ziemlich wertvoll. Alte, gut gepflegte Möbel, kostbare Bilder, schwere Vorhänge, ein knarrendes Parkett. Es war wie in einem Museum. Hier schien seit Jahrzehnten kein Stuhl mehr verschoben worden zu sein. Er streifte mit der Fingerspitze über einen prunkvollen Bilderrahmen. Nicht ein Körnchen Staub. Entweder war da eine gut bezahlte Putzfrau unterwegs oder die Bewohner dieser Wohnung hatten eine extreme Aversion gegen Unordnung und Schmutz.
Hoffmann drückte mit dem Ellbogen eine Türklinke nach unten und schob die Tür mit der FuÃspitze auf. SchlieÃlich wollte er nicht überall Fingerabdrücke hinterlassen und die Arbeit der Spurensicherung unnötig verkomplizieren. Er trat in das Zimmer. Hoffmann hatte viele Wohnungen gesehen und immer hatten die Wohnungen eine Menge über die Bewohner ausgesagt. Hier aber, in diesem Zimmer, wusste Hoffmann nicht, was er denken sollte. War das nun ein Kinderzimmer oder eine Aufbahrungshalle? Groà war der Raum, auch das Fenster in den Hof hinaus war breit und lichtgeflutet, und dennoch wirkte das Zimmer beklemmend und öd. Hoffmann trat an den breiten Kleiderschrank und öffnete ihn, zum Teufel mit den Fingerabdrücken. Ein halbes Dutzend Schuhe stand am Boden des Hängeschrankes, poliert und exakt aufgereiht. Wie mit dem Lineal ausgemessen hing da eine Reihe glatt gebügelter Anzüge. Was musste das für ein Mann sein? Nur vier Kleiderbügel waren leer und auÃerdem schlampig aufgehängt. Hoffmann stöberte weiter. Im Fach, in dem die Hemden lagen, herrschte Unordnung. Auch bei der Unterwäsche. So als habe jemand schnell etwas herausgenommen oder gesucht. Hoffmann kratzte sich am Kinn. Was war da los?
Eine Polizeisirene riss ihn aus der Grübelei. Hoffmann schüttelte ein wenig den Kopf. Assmann liebte spektakuläre Auftritte, deshalb raste er, wann immer es ging, mit Blaulicht und Sirene durch die Stadt. Für zwei aufgebrochene und völlig verlassene Wohnungen war das mehr Wirbel als nötig, dachte Hoffmann. Er ging auf den Flur. Da hastete schon Assmann die Treppe hoch. Fehlte gerade noch, dass er die Waffe gezogen hatte.
»Hallo, Gerhard. Super, dass du so schnell gekommen bist.«.
Assmann grüÃte gar nicht, rannte an Hoffmann vorbei und verschwand in Obermeiers Wohnung. Die zwei uniformierten Polizisten und die drei Männer von der Spurensicherung hatten es nicht ganz so eilig, die Treppe hochzulaufen. Hoffmann begrüÃte sie.
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