Felix oder zehn Dinge, die ich an dir liebe by Hannah Simon

Felix oder zehn Dinge, die ich an dir liebe by Hannah Simon

Autor:Hannah Simon [Simon, Hannah]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Verlagsanstalt
veröffentlicht: 2015-01-28T00:00:00+00:00


Weihnachten war nicht so wie sonst. Meine Eltern kamen dieses Jahr nicht nach Deutschland, weil Susa mit Florian und Simon gern ein paar Tage Urlaub in Südfrankreich mit den Feiertagen verbinden wollte. Oma und ich feierten trotzdem so wie immer, aber ich spürte, dass ich schon beim Dekorieren des Weihnachtsbaums den Atem anhielt, weil ich fürchtete, dieser Abend könnte mich zu glücklich machen. Ständig dachte ich daran, dass ich vielleicht bald nach meinem Fläschchen greifen musste, und so bekam ich irgendwie die Hälfte dessen, was sonst immer so gut war, gar nicht so richtig bewusst mit: das selbst gekochte und viel zu schwere Essen (Gans mit Knödeln), die gleichen Lieder von Omas Weihnachts-CD wie jedes Jahr, später die Geschenke. Oma hatte mir ein edles Schuhputzset für meine rahmengenähten Budapester gekauft, zu dem sogar eine Schürze gehörte, damit man sich beim Schuheputzen nicht schmutzig machte. Ich freute mich so sehr, dass ich, während ich auf die verschiedenen Tuben und Döschen starrte, heimlich überprüfte, ob mir schlecht oder heiß wurde, und mich gar nicht richtig bedankte. Ich wiederum schenkte Oma einen einfach zu bedienenden E-Book-Reader, auf den ich schon ihre Lieblingsbücher geladen hatte und bei dem sie die Schriftgröße so groß einstellen konnte, dass ihr das Lesen wieder leichtfiel. Auch ihre echte Freude darüber registrierte ich mit Zurückhaltung – ich wusste ja nicht, wie sehr mir auch Fremdfreuen etwas anhaben könnte. Dann kam traditionell das Einschlafen vor dem Fernseher, nachdem man sich mit Omas Plätzchen und selbst gemachtem Zimteis vollgestopft hatte. Nachdem ich all das reaktionsfrei überstanden hatte, wagte ich es auch, Oma am nächsten Tag wieder zum Kaffee zu besuchen (zum Mittagsessen am ersten Feiertag ging sie immer mit ihrer besten Freundin aus). Und auch am Tag darauf noch einmal vorbeizufahren, um Oma in Ruhe die Bedienung des Readers zu zeigen, so dass sie auch selbst Bücher kaufen und laden konnte. Die weiße Weihnacht gab es erst danach: Fünf Zentimeter Neuschnee, die wir uns alle vor dem Vierundzwanzigsten gewünscht hätten, legten jetzt die Bahnen lahm, und ich wunderte mich wie immer, dass Schnee im Winter im München die öffentlichen Verkehrsmittel oder überhaupt jemanden überraschend treffen konnte. Na ja, auf jeden Fall fuhr ich schon wieder zu Oma, um in ihrer Einfahrt Schnee zu schippen. Wir hatten es uns allerdings nicht nehmen lassen, zuerst am Wegesrand noch einen Schneemann zu bauen und ein Foto davon über mein Handy an Susa und meine Eltern zu schicken: Oma und ich vermummt mit Mütze und Schal, jeder eine rote Nase, in unserer Mitte der Schneemann, der so groß war wie Oma. Prompt kam die Antwort von Susa mit einem Smiley: In Südfrankreich waren es 15 Grad und nur leicht regnerisch, aber Simon würde sich sicher über den Schnee in München freuen, wenn sie zurückkamen.

Als ich mittags nach München zurückfuhr, führte mich mein Weg direkt zu Monika. Mit kaltem Gesicht und laufender Nase ging ich direkt ins Wohnzimmer, wo sie in ihrem Sessel saß, und gab ihr einen Kuss, noch bevor ich mich aus meiner dicken Jacke geschält und die Mütze vom Kopf genommen hatte.



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