Elisabeth II by Martin Thum

Elisabeth II by Martin Thum

Autor:Martin Thum
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: BoD E-Short


4

Theo Kümmel saß auf seinem Stuhl und kämpfte gegen die Verzweiflung. Der Schweiß wuchs ihm in dicken Perlen auf der Stirn. Er klammerte sich an dem Gestänge seines Sitzmöbels fest. Drückende Übelkeit kroch durch seine Eingeweide.

Immer die Ruhe, Theo.

Kümmel vergaß zu atmen. Nervös blickte er um sich. Die Tür war zu. Niemand außer ihm hielt sich in diesem Raum auf. Ein Schweißtropfen löste sich vom Speck seines Kinns und fiel auf das rechte Hosenbein, um sofort in den warmen Fasern des Stoffs zu versinken.

Immer ruhig bleiben. Du bist auf dem richtigen Weg.

Kümmel zog die Stirn in Falten, dann sprang er auf und blickte wie wild um sich.

»Wer ist da?«

Setz dich, wir müssen reden.

Kümmel zitterte am ganzen Leib, was nicht so recht zu seiner dicklichen Statur und den vielen Schweißperlen passte. Zögernd nahm er wieder Platz.

Vergiss die Idioten vor der Tür, vergiss sie alle und beruhige dich. Du bist auf dem richtigen Weg.

»Wer ‑ wer bist du, und wo ...«

Du brauchst einen Partner, einen der dich verstehen kann, jemanden, der dieselben Interessen hat, dieselben Ziele, jemanden, mit dem du harmonierst und Wunderbares zu leisten vermagst.

»Ja. Das stimmt wohl,« sagte Kümmel. »Das wäre traumhaft. Aber ich finde niemanden. Niemand hier denkt wie ich. Ich kann mit niemandem reden über meine Wurst. Und wie ich sie mache. Wie ich das Ergebnis verehre, wenn es so geworden ist, wie es sein muss, und wie ich schlechte Wurst hasse. Essen tut meine Wurst jeder gern, und verkaufen natürlich auch, aber wie ich sie mache, das interessiert einfach keinen. Die Kollegen nicht, Spürli nicht, auch Elisabeth hatte nie Verständnis ...«

Doch. Ich verstehe dich.

Die Stimme schien so nah, so vertrauenswürdig. Kümmel merkte, wie die Angst nachließ.

»Wer bist du?« fragte er. »Ich sehe niemanden hier.«

Ich stehe vor dir.

Kümmel stand vorsichtig auf. Mit ausgestreckten Armen ging er langsam einige Schritte nach vorne, so als wäre er blind. Jetzt stand er direkt vor seiner Wurstmaschine.

»Ich sehe niemanden.«

Doch. Ich bin es.

Kümmel machte ein ungläubiges Gesicht.

»Elisabeth? Meine Maschine?«

Ja.

Kümmel musste lächeln. Warum war er nicht gleich darauf gekommen? Seine Elisabeth! Natürlich! Sie war die einzige, die ihn verstand. Seine Partnerin. Und sie konnte sprechen, nicht nur allerfeinste Wurst machen, sondern sogar sprechen! Kümmels Muskeln lockerten sich.

Elisabeth sprach weiter: Lass uns zusammen etwas absolut Perfektes machen. Etwas, was es noch nie zuvor gegeben hat.

Kümmel nickte. »Ja.«

Vergiss die Ignoranz um dich herum. Nur die Perfektion zählt, das Kunstwerk, das einmalige, unnachahmliche Produkt. Wir zwei machen das. Nur wer sich hingibt mit Leib und Seele, wird einmal im Leben wirklich Großes leisten.

Kümmels Gesicht war glatt vor Freude.

»Du hast ja so recht.«

Was brauchst du, fragte Elisabeth, um die Wurst deines Lebens zu machen?

»Salz, frische Gewürze und Fleisch, in dem noch Leben steckt. Es muss nicht alles Fleisch so sein, aber wenigstens ein gewisser Teil. Das ist es. Das ist mein Geheimnis.«

Ich kenne dein Geheimnis, sagte Elisabeth.Du hast alles, was zu brauchst. Trag die Sachen zusammen und fang an. Gemeinsam werden wir ein unvergleichliches Kunststück zustande bringen, die beste Wurst, die die Welt jemals gesehen hat.

Kümmel nickte selig. Dann kam Bewegung in seinen Körper.



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