Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) by Peter Wensierski

Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) by Peter Wensierski

Autor:Peter Wensierski [Wensierski, Peter]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-03-02T23:00:00+00:00


Kapitel 10 Ankunft in Ulan Bator

An der Grenze zur Mongolei blieb der Zug lange stehen. Mindestens zwei Stunden passierte nichts. Es wurde schon langsam hell, als neben den Gleisen russische Soldaten erschienen, die jeden Waggon von unten genau inspizierten. Sogar eine Luke im Gang hoben sie hoch. Die Kontrolle aller Reisenden zog sich hin.

Marie und Jens mussten ihre Pässe abgeben, sie staunten allerdings darüber, dass es nicht allzu lange dauerte, bis ein Uniformierter sie ihnen zurückgab und auf Russisch eine gute Reise wünschte. Dann ging die Fahrt wieder lange Zeit durch kaum bewohntes Gebiet. Ab und zu sahen Marie und Jens in der Ferne weiße Punkte. Das mussten die Jurten der Nomaden sein.

DER BAHNHOF von Ulan Bator war nicht besonders groß. Es war kühl und regnete. Jens erspähte am Bahnhofsgebäude ein öffentliches Telefon. Er hatte sich von seinem Onkel aus dem Forsthaus bei Templin die Nummer von Galsan Tschinag geben lassen, einem mongolischen Schriftsteller, der in Leipzig studiert hatte und fließend Deutsch sprach.

Sein Onkel hatte ihn zufällig drei Jahre zuvor kennengelernt, als er sich mit einer Delegation des Kulturbundes zu einem offiziellen Besuch in Ulan Bator aufgehalten hatte. Er fand damals ein Gebäude am Rand der Stadt besonders schön und fotografierte es. Kaum hatte er sich umgedreht, war er von Uniformierten umringt und mitten auf der Straße gestellt worden. Er hatte nicht gewusst, dass das Gebäude ausgerechnet die sowjetische Botschaft war. Sie wollten ihn verhaften. In diesem Moment kam ein Passant dazu, es war Galsan. Er bot sich als Dolmetscher an, fuhr mit auf das Polizeirevier und konnte die Situation entschärfen.

Jens hatte Glück, vom Telefon am Bahnhof aus erreichte er Galsan. Der versprach, ohne zu zögern, die fremden Besucher aus Deutschland am Bahnhof abzuholen. Er werde mit dem Bus kommen, das dauere nicht lange, die Straßen seien ja leer. Marie und Jens suchten sich mit ihren Rucksäcken einen Platz zum Warten. Sie gingen in das Bahnhofsrestaurant und bestellten Tee. Was sie bekamen, sah eher aus wie eine heiße Brühe. Auf der milchig-braunen Flüssigkeit schwammen Fettaugen. Marie probierte vorsichtig und verzog das Gesicht. Der Tee war salzig, und sie fand ihn furchtbar, Jens ebenfalls. Ihre Schalen wurden nicht leer.

Kurz darauf kam ein gut gelaunter Mensch auf sie zu. Galsans Augen strahlten im sonnengegerbten Gesicht. Marie mochte ihn vom ersten Moment an. Galsan sah sich die beiden Deutschen an und fand sie klein und schmächtig, ihre Rucksäcke aber viel zu groß. Sie wirkten auf ihn durchgefroren und ausgehungert.

Sie nahmen den nächsten Bus zurück zu Galsans Wohnung. Von der Haltestelle bis zu seiner Wohnung mussten sie durch einen heftigen Schauer laufen, sodass sie ganz durchnässt wurden.

Galsan lebte mit seiner Familie in einem Wohnblock, der fünf Stockwerke hoch und modern war im Vergleich zu den provisorischen Wohnunterkünften, die Marie aufgefallen waren, als der Zug in die Stadt hineingefahren war. Am Stadtrand wohnten die Mongolen, die ihr Nomadenleben aufgegeben hatten, in kleinen Steinhäusern mit blauen, roten und grünen Wellblechdächern oder in eng zusammenstehenden Jurten, die zum Teil schon mit Steinen und Holzanbauten befestigt worden waren. Um die rechteckigen Grundstücke herum stand jeweils ein grob behauener Palisadenzaun.



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