Die Tage danach by Fatland Erika

Die Tage danach by Fatland Erika

Autor:Fatland, Erika
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: BTB
veröffentlicht: 2012-12-28T16:00:00+00:00


Der Prozess

Zehn Minuten

Es ist ein unbeschreibliches Gefühl zu erfahren,

auf welche Weise meine Tochter getötet wurde.

Es kam mir vor, als sähe ich meine Tochter

weglaufen und aus Angst vor dem Mörder schreien.

Dann streckten die Schüsse des Terroristen sie nieder,

und ihre schönen Haare bedeckten ihr Gesicht.

Yasin Mohamad Jamil,der seine Tochter Rafal auf Utøya verloren hat

Die Bilder bekommen wir nicht zu sehen, aber wir erfahren, welche Kleidung sie trugen. Kariertes Hemd. Grauer Kapuzenpulli. Shorts und Schuhe. Plüschjacke und Jeans. Weißes T-Shirt. Shorts. Graue Jogginghose.

Knapp und respektvoll erläutert der Rechtsmediziner, wo die Schüsse eindrangen und wo sie gegebenenfalls wieder austraten.

»Der Tod trat aufgrund der Schussverletzungen am Kopf ein. Diese führten zum sofortigen Tod«, schließt der Arzt in den meisten Fällen. 56 der Opfer wurden von Kugeln in den Kopf oder Nacken getroffen. Die meisten starben sofort. Ist das ein Trost?

»Er war der beste Papa der Welt.«

»Sie hinterließ vier Kinder.«

»Er war erst sechzehneinhalb und hatte das ganze Leben noch vor sich.«

»Sie freute sich auf die weiterführende Schule.«

Die Bilder quicklebendiger, lächelnder Jugendlicher erscheinen auf dem Bildschirm. Mehrere Opferanwälte kämpfen mit den Tränen, als sie die Nachrufe der Familien verlesen. Die Journalisten hämmern verbissen in die Tastaturen. Die Hinterbliebenen schluchzen laut. Staatsanwältin Bejer Engh bedeckt ihr Gesicht mit den Händen. Sogar die Richterin muss eine Träne wegwischen. Nur der Täter sitzt mit versteinertem Gesichtsausdruck da.

Es ist die düsterste Woche. Die schlimmste. Es ist der zentrale Punkt. Dennoch sind die Pressebänke nun dünner besetzt. Die Journalisten wissen nicht recht, was sie schreiben sollen. Die Details, so sparsam sie auch genannt werden, sind zu brutal, um in irgendeiner Zeitung zu stehen.

Für jedes Opfer sind zehn Minuten vorgesehen. Oft geht es schneller.

In Haugesund verfolgt ein Elternpaar die Verhandlung auf einer Großleinwand. Fast jeden Tag fahren die beiden ins Amtsgericht, wo in einem Saal die Gerichtsverhandlung übertragen wird. Sie möchten so viel wie möglich mitbekommen, alle Details sind wichtig. Am Tag, an dem Sondres Obduktionsbericht vorgelegt wird, sitzen auch sie im Gerichtssaal 250 im Amtsgericht von Oslo.

Ein anderer Vater ist den weiten Weg von Egersund nach Oslo gekommen, um dabei zu sein, wenn der Obduktionsbericht seiner Tochter Rafal verlesen wird.

Avtandil Liparteliani, der Vater der 23-jährigen Tamta, ist sogar aus Georgien angereist, um dabei zu sein, wenn der Obduktionsbericht seiner Tochter an der Reihe ist. Er hat eine kurze Rede vorbereitet, in der er inständig darum bitten will, dass Breivik zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wird. Über seinen Anwalt hat er beim Gericht in Oslo schriftlich darum ersucht, der Richterin sein Plädoyer vortragen zu dürfen.

Der Antrag wurde abgelehnt.



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