Die Rache Des Kaisers: Roman by Gisbert Haefs

Die Rache Des Kaisers: Roman by Gisbert Haefs

Autor:Gisbert Haefs
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783442203017
Herausgeber: Page & Turner
veröffentlicht: 2009-10-11T22:00:00+00:00


Am nächsten Morgen erschien Avram; er war ein wenig zerzaust und stank nach billigen Duftwässern. Als er die verbundene Schulter sah, schnitt er eine Grimasse.

»Was ist geschehen? Hat Laura dich gebissen?«

Ich erzählte von meinen Nachtwanderungen, von Bellini und den Totschlägern.

»Man kann dich ja nicht allein lassen«, sagte er. »Ich werde nie wieder ein Mädchen für die ganze Nacht nehmen, wenn Laura abends begleitet werden muß.« Er spitzte die Lippen. »Und jetzt auch noch ein Engländer? Eh, Waliser? Zamora, Castelbajac, Piranesi, Symonds - findest du nicht, du solltest dir zur Abwechslung mal einen ungarischen oder finnischen Freund suchen?«

Als die Zeit abgelaufen war, für die ich den Palazzo gemietet hatte, begann allmählich der Winter, und Laura beschloß, die nächsten Monate lieber an Land zu verbringen. Zur Papiermühle in Mestre gehörte ein Haus, in dem sich, sagte sie, die kalte Zeit besser und behaglicher verbringen ließ als in den kargen Zimmerchen über der Druckerei. Ich fand die bereits erwähnte Unterkunft für Avram und mich ganz in der Nähe, und am letzten Novembertag verließen wir vorläufig die Lagunenstadt. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, als Laura mit meiner Nähe und Neigung zu behelligen, kümmerte ich mich ein wenig um ihren Garten und machte kleinere Ausflüge in der Umgebung. Ansonsten arbeitete ich, so gut es ging, als überzähliger Helfer mit in der Papiermühle.

Avram war geschickter und daher weniger überzählig als ich. Zwischendurch verschwand er tagelang, trieb sich im Hinterland herum und sammelte Lumpen, Rohstoff für die Mühle. Er sammelte auch Geschichten und Neuigkeiten. Und Nachrichten.

An einem Frühsommerabend kehrte er von einem seiner Ausflüge zurück, den Handkarren hochbeladen mit Fetzen, die Stiefel voller Staub und das Gesicht bedeckt von einer Maske: der Miene beiläufiger Dringlichkeit, wie ich sie bei mir nannte. Die meisten Arbeiter waren bereits heimgegangen. Laura, der Meister Giovanni und ich prüften eben die ersten gepreßten und getrockneten Bögen für einen neuen, teuren Auftrag.

»Du wirst mich reich machen«, sagte Laura. Sie hielt einen Bogen hoch und betrachtete vor dem großen Westfenster das Wasserzeichen. »Du auch«, setzte sie hinzu, als Avram die Werkstatt betrat.

»Ich auch was?« sagte er.

»Du wirst mich reich machen.«

Giovanni keckerte. »Solange wir alle etwas davon haben, gönnen wir dir jeden Reichtum, Herrin.«

»Laß mal sehen.« Avram trat hinter Laura und musterte den Bogen. Er schnalzte leise. »Nicht schlecht geworden - für die ungelenken Händchen.« Er hob die Hände und spreizte die Finger; dabei grinste er.

Ich sah unter oder neben seinem Grinsen die Mienenmaske und ahnte, daß er anderes im Kopf hatte als das neue Papier. Aber es war gut gelungen, und wir beide hatten dazu beigetragen. Am wenigsten ich - von mir stammten lediglich das Blut des ersten, zufälligen Entwurfs und der grundlegende Einfall: den reichen und edlen Herren Venedigs jeweils eigenes Papier anzubieten. Laura hatte alles berechnet und die Angebote unterbreitet; Meister Giovanni hatte nach dem Familienwappen des ersten edlen Kunden die Vorlage für das Wasserzeichen entworfen, und Avram hatte das feine Drahtgeflecht gefertigt. Das Papier sollte am nächsten Tag nach Venedig gebracht und dort, in Lauras Drukkerei, mit den Namen des Herrn und des Hauses versehen werden.



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