Die letzte Minute by Jeff Abbott

Die letzte Minute by Jeff Abbott

Autor:Jeff Abbott [Abbott, Jeff]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Random House DE
veröffentlicht: 2013-02-12T23:00:00+00:00


39

Hotel Esper, Williamsburg

Wir schliefen aus. Normalerweise kann ich in New York nie lang schlafen, weil der Verkehrslärm wie eine Weckuhr funktioniert. Als ich erwachte, war Leonie bereits geduscht und angezogen und tippte auf ihrem Laptop. »Niemand hat das Haus betreten, nur der Sicherheitsmann zu den festgelegten Zeiten.« Sie sah mich mit einem schwachen Lächeln an.

Was sollte ich tun? Sie küssen, umarmen oder so tun, als wär nichts passiert? Meine gescheiterte Ehe mit Lucy – die geprägt war von Lügen und meiner eigenen Blindheit – hatte mich überzeugt, dass ich für Beziehungen ziemlich unbegabt bin. Außerdem würde das zwischen uns ohnehin nichts Längerfristiges sein. Sobald wir unsere Kinder hatten, trennten sich unsere Wege, und wir würden uns nie wiedersehen, außer in der Erinnerung an die schlimmsten Tage unseres Lebens.

Auf den Websites der Zeitungen in New York und New Jersey stand nichts von zwei Leichen, die in dem leerstehenden Haus der Associated Languages School gefunden worden waren.

»Ich hol Frühstück«, sagte ich. Leonie gab ein Geräusch von sich, wie man es macht, wenn man in einen Computerbildschirm vertieft ist. Auch in diesem Punkt glich sie Lucy.

»Was tust du gerade?«

»Ich hab darüber nachgedacht, was du gestern gesagt hast«, antwortete sie. »Ich will rauskriegen, wer dieser Fahrer war.«

»Er ist nicht mehr wichtig.«

»Du arbeitest nicht allein«, sagte sie. »Warum sollte es bei ihm anders sein? Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns bleibt, Jack zu finden. Vielleicht nur noch wenig. Und ich sitz nicht hier und warte, bis er von allein kommt.«

Ich ging zu einem Diner an der Ecke und besorgte uns Frühstück zum Mitnehmen: Pilz-und Spinatomelette, Hash Browns, Obst, Speck, Kaffee, Orangensaft. An solchen Tagen isst man, wenn man die Gelegenheit dazu hat, weil man nicht weiß, wann man zu seiner nächsten Mahlzeit kommt.

Als ich ins Hotel zurückkehrte, aßen wir erst einmal. Ich dachte mir, ein bisschen plaudern könne nicht schaden.

»Wo kommst du her?«, fragte ich.

Sie schien ihre Antwort abzuwägen, während sie in ihren Kaffeebecher blickte.

»Ich weiß, dass du nicht wirklich Leonie heißt.«

»Glaub mir, es ist besser, wenn du nicht viel über mich erfährst. Ich bin echt langweilig.«

»Das stimmt sicher nicht«, erwiderte ich lächelnd.

Sie lächelte ebenfalls, wenn auch nur für einen Augenblick. »Woher kommst du?«

»Von überall. Meine Eltern haben für eine Hilfsorganisation gearbeitet, meine Mutter war Kinderchirurgin, mein Vater Verwalter. Ich hab als Kind in über zwanzig Ländern gelebt.« Ich trank meinen Kaffee aus. »Falls mir was passiert und du meinen Sohn von Anna zurückbekommst, kannst du ihn zu meinen Eltern bringen. Sie leben in New Orleans. Alexander und Simone Capra. Sie stehen im Telefonbuch.«

»Hast du engen Kontakt mit ihnen?«

»Nein, gar nicht.«

»Warum?«

»Als mein Bruder starb, hat das irgendwas bei ihnen ausgelöst. Sie wollen mein Leben entweder völlig kontrollieren oder nichts mit mir zu tun haben, es gibt für sie kein Dazwischen. Sein Tod hat sie ein bisschen verrückt gemacht.«

»Wie ist er denn gestorben?«

»Er ging für eine Hilfsorganisation nach Afghanistan, dabei fielen er und sein bester Freund den Taliban in die Hände. Sie haben ihnen in einem Propagandavideo die Kehlen durchgeschnitten.«

»O mein Gott«, sagte Leonie. »Das tut mir so leid.



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