Die Jeromin-Kinder by Wiechert Ernst

Die Jeromin-Kinder by Wiechert Ernst

Autor:Wiechert, Ernst [Wiechert, Ernst]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Ernst Wiechert -> http://www.ernst-wiechert.de/, "Nur für Ihren privaten Gebrauch! Viele Bücher von Ernst Wiechert sind im Buchhandel erhältlich. Antiquarische Titel erhalten Sie u. a. über http://www.zvab.com
ISBN: 9783784418278
Google: RmfMjwEACAAJ
Herausgeber: Langen-Müller
veröffentlicht: 1980-02-14T23:00:00+00:00


Kapitel 22

"Vielleicht wäre es nicht das Schlechteste", sagte der Arzt langsam, "wenn wir ein bißchen mehr in diesen alten Geschichten lesen wollten statt im Jenseits von Gut und Böse oder in der 'Morgenröte'. Ich kann mir denken, daß die kleinen Leute in Ihren Walddörfern mit der 'Morgenröte' nicht viel anfangen könnten, wenn Sie an ihren Betten sitzen."

"Nein", erwiderte Jons, "die 'Flügel der Morgenröte' sind ihnen tröstlicher."

"Ja, vielleicht uns allen, kleiner Jeromin, denn die Wahrheit ist nicht immer tröstlich. Das wissen Sie wohl so gut wie ich. Nicht alle Leute sind so schnei-dig wie mein Oberarzt. Er würde selbst einem Erzengel ruhig den Blinddarm herausnehmen und nachher noch eine ordentliche Rechnung ausstellen... Ja, also morgen wird aufgestanden, kleiner Mann, und ein biß-

chen auf Krükken gehumpelt, nicht wahr?"

Ja, Mühe und Not, noch einmal gehen zu lernen, Schwindel und ein bißchen Scham, und die grüne Erde betäubend in ihrem so lange nicht gesehenen Glanz. Der große Garten reichte bis an den Strom, und hinter dem Strom standen schon die schweren Sommergewitter über den großen Wäldern.

Noch gewaltiger als zu Hause war hier der Horizont, in den zur Linken die vielen Kirchen mit seltsamen Türmen ragten, und der Strom zu seinen Füßen trug viele Flöße, auf denen zur Abendzeit kleine Feuer brannten und fremde Lieder erklangen.

Kein Mangel an Elend in diesem schönen Garten. Auf allen Bänken saß es und blickte gleich ihm mit stillen Augen über den Strom. Ein ganzes Heer von Krüppeln, das der Krieg hinter sich gelassen hatte, die meisten verbittert, viele stumpf, nur wenige still ergeben oder von einem traurigen Stolz erfüllt. Ja, viel würde zu tun sein auf den dreißig Morgen des künftigen Lebens, in den kleinen Dörfern, in die sie nun heimkehren würden, geachtet und geehrt zuerst, und dann eine Gewohnheit, und zuletzt eine Last. Denn in den kleinen Dörfern ist der Körper mehr als in den Städten, das erste und letzte Handwerkszeug, das nötigste und auch das wohlfeilste. Kein Platz für Knechte, die auf der Hausbank sitzen und von ihren Abenteuern erzählen.

Zu wenig Publikum für Drehorgel oder Ziehharmonika. Kein Brot fällt mehr vom Himmel wie damals in der Wüste, und ein verlorener Krieg nimmt den Lorbeer auch von der verstümmelten Stirn.

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Ernst Wiechert - Die Jeromin-Kinder

Erster Band



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