Die Halloween-Party by Agatha Christie

Die Halloween-Party by Agatha Christie

Autor:Agatha Christie [Christie, Agatha]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783455004632
Herausgeber: Atlantik
veröffentlicht: 2022-10-02T00:00:00+00:00


13

Nachdem Hercule Poirot sich verabschiedet hatte und gegangen war, blieb Jeremy Fullerton noch an seinem Schreibtisch sitzen. Seine Finger trommelten leise auf der Tischplatte, sein Blick ging gedankenverloren ins Leere.

Er ergriff ein Papier, das vor ihm lag, und senkte seine Augen darauf, aber ohne etwas zu sehen. Seine Gedanken waren in der Vergangenheit. Zwei Jahre – fast zwei Jahre war es her –, und dieser seltsame kleine Mann mit seinen Lackschuhen und seinem großen Schnurrbart hatte mit seinen Fragen alles wieder zurückgebracht.

Jetzt erlebte er in Gedanken noch einmal eine Unterhaltung, die er vor fast zwei Jahren geführt hatte.

In dem Stuhl gegenüber sah er noch einmal ein Mädchen, klein, untersetzt – die olivbraune Haut, den dunkelroten, großen Mund, die vorstehenden Wangenknochen und die Wildheit, mit der ihn ihre blauen Augen unter schweren schwarzen Augenbrauen hervor ansahen. Ein leidenschaftliches Gesicht, vital, ein Gesicht, das Leid kennengelernt hatte – wahrscheinlich nie ohne Leid sein würde –, aber niemals lernen würde, Leid hinzunehmen. Eine Frau, die bis zum Schluss kämpfen und protestieren würde. Wo mochte sie jetzt sein? Auf irgendeine Weise war es ihr gelungen – was eigentlich war ihr gelungen? Wer hatte ihr geholfen? Hatte ihr überhaupt jemand geholfen? Jemand musste es getan haben.

Jeremy Fullerton war ein Verteidiger des Gesetzes. Er glaubte an das Gesetz und verachtete die modernen Richter mit ihren milden Strafen und ihrer Einsicht in psychologische Erkenntnisse. Und doch – trotz seines tief wurzelnden Glaubens an die gerechte Anwendung des Gesetzes war Fullerton ein Mann, der Mitleid haben konnte. Er konnte mit den Menschen fühlen. Er konnte auch mit Olga Seminoff fühlen, und sie tat ihm leid, obgleich ihn ihre leidenschaftlich vorgebrachten Argumente völlig unberührt ließen.

»Ich bin um Hilfe zu Ihnen gekommen. Ich dachte, Sie helfen mir. Sie waren voriges Jahr gut zu mir. Sie haben mir mit den Formularen geholfen, damit ich noch ein Jahr in England bleiben konnte.«

»Die Umstände, die Sie hier als Beispiel anführen« – und Mr Fullerton erinnerte sich, wie trocken und kalt er das gesagt hatte, noch trockener und kälter wegen des Mitleids, das hinter seinen Worten lag –, »treffen jetzt nicht zu. In diesem Falle bin ich nicht in der Lage, Ihnen Rechtsbeistand zu leisten. Ich vertrete bereits die Familie Drake. Wie Sie wissen, war ich Mrs Levin-Smith’ Rechtsanwalt.«

»Aber sie ist tot. Sie braucht keinen Anwalt, wenn sie tot ist.«

»Sie mochte Sie sehr gern«, sagte Mr Fullerton.

»Ja, das tat sie. Das sage ich ja. Deswegen wollte sie mir das Geld geben.«

»All ihr Geld?«

»Warum nicht? Warum nicht? Sie mochte ihre Verwandten nicht.«

»Das stimmt nicht. Sie hatte ihre Nichte und ihren Neffen sehr gern.«

»Na gut, vielleicht hat sie Mr Drake gemocht, aber Mrs Drake mochte sie nicht. Sie ging ihr auf die Nerven. Mrs Drake mischte sich in alles ein. Sie ließ Mrs Levin-Smith nicht tun, was sie wollte. Sie ließ sie nicht essen, was sie wollte.«

»Mrs Drake ist eine sehr gewissenhafte Frau, und sie hat versucht, ihre Tante dazu zu bewegen, die Anordnungen des Arztes zu befolgen.«

»Die Menschen wollen die Anordnungen des Arztes nicht immer befolgen.



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