Die Entstehung der Welt by Tom Wellmann

Die Entstehung der Welt by Tom Wellmann

Autor:Tom Wellmann
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2020-06-22T11:34:00.221000+00:00


Wehe! Dass mich nicht ohne Erbarmen hat sterben lassen ein früherer Tag,

bevor mit den Klauen ich schändliche Werke um Fraßes willen verübte!

Beide Verse waren (in leicht entstellter Form) bereits vor dem Papyrus durch ein Zitat bei Porphyrios bekannt (B 139) und wurden aus guten Gründen durchweg den Katharmoi zugerechnet. Hierfür sprach zunächst der Kontext des Zitats bei Porphyrios (ἐπεὶ δ’ ἀναμάρτητος οὐδείς, λοιπὸν δὴ ἀκεῖσθαι αὐτοῖς ὕστερον διὰ τῶν καθαρμῶν τὰς πρόσθε περὶ τὴν τροφὴν ἁμαρτίας, De abst. 2, 31 = zu B 139).465 Ferner finden sich in diesen Versen gleich drei Motive, die ansonsten ausschließlich in den Fragmenten der Katharmoi begegnen: erstens eine Bezugnahme auf ein Ereignis aus Empedokles’ früherem Leben (vgl. B 117; B 118), zweitens ein Beklagen des eigenen Schicksals (vgl. B 115, 13–14; B 119; B 124) und drittens eine implizite Artikulation des Tötungsverbotes.466

Angesichts dieser durch den Papyrus offenbarten Parallelen zwischen Physika und Katharmoi scheint nun in der Tat der Gedanke unabweisbar zu sein, dass beiden Werken – so unterschiedlich ihre Konzeption sein mag – eine einheitliche Weltsicht zugrunde liegt. Eine andere Frage ist allerdings, ob man deshalb der Transmigrationslehre tatsächlich den Rang eines naturphilosophischen Theorems zusprechen oder sie zumindest als mit der Elementenlehre sachlich kompatibel betrachten muss. Von δαίμονες nämlich oder einem Fortdauern individueller Existenzen über den Tod hinaus ist in den mit dem Papyrus bekannt gewordenen Versen ebenso wenig die Rede wie in den übrigen Texten des naturphilosophischen Lehrgedichts. Dass Empedokles in den Physika, wie der Papyrus zeigt, ebenfalls Kritik an der Praxis blutiger Tieropfer übt, bedeutet mithin nicht zwingend, dass er diese Kritik auch auf dieselbe Weise begründet hätte wie in den Katharmoi. Die Feststellung, der Papyrus beweise die sachliche Einheit von Transmigrations- und Elementenlehre, geht also ersichtlich über das hinaus, was im Text ausdrücklich gesagt wird.

Wie im Folgenden anhand einer Analyse der Ensembles Strasb. c und Strasb. d/f 1–10 demonstriert werden soll, sind die betreffenden Verse auf dem Papyrus entgegen ihrer bisherigen Auswertung in der Tat vollständig aus ihrem Zusammenhang in den Physika heraus verständlich. Um den Zusammenhang zu erschließen, ist zunächst auf die Möglichkeiten einer Rekonstruktion des auf Vers 300 folgenden Teils des Lehrgedichts einzugehen.



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