Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull by Thomas Mann

Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull by Thomas Mann

Autor:Thomas Mann
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2011-12-06T09:42:01+00:00


Zweites Kapitel

Den Liftdienst versah ich den ganzen Winter hindurch, und trotz der Beliebtheit, deren ich mich bei meinem wechselnden Publikum erfreute, begann er mich bald schon zu langweilen. Ich hatte Grund zu fürchten, daß es damit immer so weitergehen, daß man mich sozusagen darin vergessen, mich alt und grau dabei werden lassen möchte. Was ich von Stanko gehört, bestärkte mich in dieser Besorgnis. Seinerseits trachtete er danach, in die Hauptküche mit den beiden großem Kochherden, den vier Bratöfen, dem Grillapparat und dem Flambeau versetzt zu werden und es dort mit der Zeit – wenn nicht gerade zum Küchenchef, so etwa doch zum Vice-Küchenleiter zu bringen, der die Ordres aus dem Speisesaal von den Kellnern entgegennimmt und sie an die Schar der Köche weitergibt. Aber es sei geringe Aussicht auf solches Vorwärtskommen, hatte er gemeint; die Neigung sei groß, einen Mann an der Stelle zu verbrauchen, wo er nun einmal sei, und auch mir sagte er schwarzseherisch voraus, daß ich ewig, wenn auch nicht immer als Volontär, an den Lift gebunden bleiben und nie den Betrieb des Welthauses unter einem anderen Gesichtswinkel als diesem speziellen und beschränkten kennenlernen würde.

Eben das ängstigte mich. Ich fühlte mich eingesperrt in meine Ascenseur-Nische und den Schacht, worin ich mein Fahrzeug auf und ab steuerte, ohne daß mir ein Blick oder mehr als ein kurzer Gelegenheitsblick gewährt gewesen wäre auf die kostbaren Gesellschaftsbilder der Halle zur Fünf-Uhr-Teezeit, wenn gedämpfte Musik sie durchschwebte, Rezitatoren und griechisch gewandete Tänzerinnen der schönen Welt Unterhaltung boten, die an ihren gepflegten Tischchen in Korbsesseln lehnte, zum goldenen Tranke Petits fours und erlesene kleine Sandwiches kostete, die Finger danach zum Entkrümeln mit einer Art von leichtem Getriller in der Luft bewegend, und auf dem Läufer der königlichen, zu einer mit Blumenbosketts geschmückten Empore führenden Freitreppe, zwischen Palmenwedeln, die aus skulpturierten Vasenkästen stiegen, einander begrüßte, Bekanntschaft machte, mit distinguiertem Mienenspiel und Kopfbewegungen, die auf Geist schließen ließen, Scherzworte tauschte und leichtlebiges Lachen ertönen ließ. Wie gut mußte es sein, sich dort zu bewegen und aufzuwarten, im Bridge-Zimmer der Damen auch oder im Speisesaal beim Diner, zu dem ich die befrackten Herren und von Schmuck funkelnden Frauen hinabbrachte. Kurz, ich war unruhig, es verlangte mich nach Ausweitung meines Daseins, nach reicheren Möglichkeiten des Austausches mit der Welt, und wirklich: das wohlgeneigte Glück ließ sie mir zuteil werden. Mein Wunsch, von der Lifttreiberei loszukommen und in neuer Tracht eine neue Tätigkeit von weiterem Horizont zu gewinnen, erfüllte sich: zu Ostern trat ich in den Kellnerdienst über, und das ging vor sich wie folgt.

Der Maître d'hôtel, Monsieur Machatschek mit Namen, war ein Mann von großer Stellung, der mit viel Autorität und in täglich frischer Stärkwäsche sein Bauchgewölbe im Speisesaal herumtrug. Der rasierte Speck seines Mondgesichts schimmerte. Aufs schönste verfügte er über jene hoch- und fernhin winkende Armbewegung, mit welcher der Herr der Tische neu eintretende Gäste zu ihren Plätzen entbietet, und seine Art, Mißgriffe und Ungeschicklichkeiten des Personals nur im Vorbeigehen aus dem Mundwinkel zu rügen, war so diskret wie beißend. – Er also ließ mich,



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