Der Streit um den Sergeanten Grischa - Roman by Aufbau

Der Streit um den Sergeanten Grischa - Roman by Aufbau

Autor:Aufbau [Aufbau]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-09-26T04:00:00+00:00


Gegen Morgen schuf endlich ein Gewitter in den Lüften weithin Klarheit. Selten begannen um jene Zeit Tage so leicht, fröhlich, silberblau wie dieser achte August, dessen helle Frühe Bertin an seinem Schreibtisch traf, dichtend. In den Morgenstunden, wenn frisch vom Schlafen seine Gedanken noch nicht abgebraucht, seine Worte noch nicht zu sehr ins Kommißliche ausgeartet waren, schrieb er die Verse seiner Komödie, sehr bemüht um den strengen Bau der Handlung, aber verantwortungslos im ganzen, gewissermaßen ohne viel Hoffnung auf vollkommenes Gelingen. Ihm genügte, das Handgelenk für ernstere Sachen einzuspielen, und fast scheute er vor seinem eigenen Einfall zurück, der ihm zu gewichtig schien, als gegen Ende des ersten Aktes die Gestalt Cäsars sich einmischte, sehr überraschend, sehr befreiend und menschlich so beträchtlich, daß das Stück daran aus den Fugen zu gehen Gefahr lief. Auf diese Weise richtete sich seine Blickart aufs Ganze, Runde der Zusammenhänge und zugleich auf ihren Kern, das Wesentliche; und dafür ward ihm Verwendung. Denn kurz nach neun klopfte es, und herein trat mit einer Mappe unterm Arm ein Bürosoldat wie er selbst, ein semmelblonder gescheitelter brillentragender Gefreiter, der sich hinsetzte und bei einer von Bertins Zigaretten zunächst über das Wichtigste dieser Tage sprach: eine neue Mordkommission drohte wieder mit einer Musterung, und Bertin sah ihr sehr kühl entgegen, weil er, dem Stab einer fechtenden Truppe angehörig, selbst durch ein »K. v.« in seiner Stellung nicht gefährdet war. Anders dagegen stand dieser Kamerad da, Langermann, Gefreiter, der sich aus der Schreibstube seiner unbekannten Dorfkommandantur nach Merwinsk emporberichtet hatte – mit dem Erfolg, daß er nun zittern mochte, während er, still auf seinen fünf Buchstaben rastend, von seinem Feldwebelleutnant in leicht einschätzbarer Unabkömmlichkeit verteidigt worden wäre.

»Ach, Kamerad«, murmelte er bekümmert. »Da kannst nix machen. Brauchtet ihr vielleicht jemanden noch? Mensch, Mensch, wenn ich wieder an die Front soll, lieber hack ich mir ’nen Daumen ab.«

Bertin bekundete teilnahmsvolles Einverständnis. Dann fragte er, was den Kameraden denn sonst noch herführe. Langermann hob das in Nachdenken gesenkte Gesicht wie ein Mensch, der plötzlich erwacht: »Ja, das Urteil soll ich holen.«

Bertin begriff vollkommen und auf der Stelle. In der noch unabgewetzten Frische seines Blicks und seinem freilich unerlaubten Gemeinenwitz sah er Schieffenzahn hier ziehen, einen unscheinbaren Bauern und so bösartig als möglich. Ohne Einwände der Division überhaupt abzuwarten, hatte jemand die Kommandantur benachrichtigt, und jetzt saß hier der Gefreite Langermann – übrigens, ohne es zu wissen, in der ganzen Sache Grischa keineswegs ohne Einfluß – und kam, es recht und billig zur Vollstreckung einzuheimsen. Einiges davon dachte Bertin, während er den Gefreiten Langermann besinnlich ansah. Am Nachmittag hätte er sich vielleicht durch verlegenes Stammeln und Ängstlichkeit verdächtig gemacht oder sich mit mangelnder Vollmacht schlecht ausgeredet und ganz überflüssigerweise den Kriegsgerichtsrat in Aktion treten lassen – alles viel zu schwerhändig, weil zu nachdrücklich, sehr verderblich. Jetzt dagegen sagte er sich: schöner Blödsinn, daß wir Lychow so schnell und verfrüht einsetzten; jetzt haben wir doch gar keinen Trumpf mehr hinten. Das Indirekte, sann er blitzschnell, ist immer wirksamer als das Direkte, im Dichterischen wie



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