Der Rikschamann by Jan Schroeter

Der Rikschamann by Jan Schroeter

Autor:Jan Schroeter [Schroeter, Jan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-01-12T16:00:00+00:00


10.

Die Meilensteine seiner Kindheit, alle auf engstem Raum versammelt: Der Kindergarten an der Bornheide, daneben die Grundschule, später dann die Geschwister-Scholl-Gesamtschule am Böttcherkamp, die auch nur ein paar Ecken entfernt lag. Alle Stationen hatte Max zusammen mit Oleg durchlaufen. Osdorf, Stadtteil der harten Kontraste. Grüne Gärten, lärmende Verkehrsschneisen, Dorfkern mit Windmühle, Elbe-Einkaufszentrum, Chinaküche hinter norddeutschem Fachwerk und Reet – hier lief einiges zusammen, was sonst nicht unbedingt zusammen gehörte. Doch was Ortsfremde vielleicht irritieren mochte, löste bei Max nur Heimatgefühle aus. Sogar die monströsen Plattenbaugebirge der Großsiedlung Osdorfer Born empfand er nicht als schockierend, sondern nur als eine vertraute Landmarke.

Willkommen zu Hause, Heimspieler.

Hier hatte er zwar nie gewohnt, war aber oft genug zu Besuch gewesen. Olegs Mutter wohnte in einem der höchsten Blocks. Max schloss seine Rikscha an und sah zwei bekannte Gestalten aus dem Hauseingang treten und auf sich zu kommen.

»Harder.« Aus Kommissar Hesses Mund klang das eher wie die Feststellung einer unangenehmen Tatsache als wie eine Begrüßung. Seine Kollegin Bronstein erlaubte sich wenigstens die Andeutung eines Lächelns. Max grüßte nur abwartend.

»Ihr Freund ist leider nicht hier«, verkündete Hesse. »Falls Sie seine Mami gerade nach ihm fragen wollten!«

Bronstein sah erst auf das Gelbe Ungetüm und dann auf den jungen Mann. »Sind Sie etwa extra deswegen mit dem Ding hierher gestrampelt?«

»So abwegig scheint die Idee nicht zu sein – Sie sind ja auch deswegen hier.«

»Nicht ursprünglich«, versetzte Bronstein.

Max sah die Kriminalpolizistin fragend an, ehrlich überrascht. »Nicht?«

Hesse schnaubte verächtlich. »Spielen Sie nur weiter den Ahnungslosen, Harder! Sie sind doch hier aufgewachsen! Wo genau eigentlich?«

»Harderweg.«

Hesse blieb einen Moment die Luft weg, dann verfärbte sich sein Gesicht ins Dunkle. »Sie finden sich wohl enorm komisch, was? Sie…!«

»Chef…« versuchte Bronstein zu intervenieren, aber Hesse ging durch wie ein wütender Stier, reckte sein kantiges Kinn und schob sich bedrohlich dicht an Max heran.

»Das Unschuldslamm spielen und sich über die blöden Bullen lustig machen! Aber das sage ich Ihnen, verarschen lasse ich mich nicht von Ihnen…«

»Chef!« Bronstein meldete sich jetzt so energisch, dass Hesse den Faden verlor und seine Kollegin irritiert ansah. »Den Harderweg gibt es hier wirklich. Geht vom Rugenbarg ab.«

Für einen winzigen Augenblick sah der Kommissar echt dämlich aus, fand Max. Dann riss sich Hesse zusammen, wandte sich kommentarlos ab und ging mit steifen Schritten zu seinem am Straßenrand geparkten Wagen. Bronstein und Max wechselten einen belustigten Blick – wie Schüler, die sich darüber einig sind, dass sich der Lehrer gerade zum Affen gemacht hat, aber nicht losprusten können, weil der Depp noch im Klassenzimmer weilt.

Der einvernehmliche Moment ging rasch vorbei.

»Sie haben dort tatsächlich gewohnt?« hakte Bronstein nach, um Sachlichkeit bemüht. »Im Harderweg?«

»Meine Eltern haben da hauptsächlich deswegen gemietet, weil sie das mit dem Straßennamen so cool fanden«, bestätigte Max. »Vor allem mein Vater. War jedes Mal der große Brüller, wenn er irgendwo seine Visitenkarte präsentieren konnte: Harder aus dem Harderweg!«

»Wie lange haben Sie in Osdorf gewohnt?«

Wenn Bronstein sich konzentrierte, so wie jetzt, bildete sich auf ihrer Stirn eine kleine Falte. Das machte die Nase noch etwas spitzer. Sie hat was, sie hat echt was, dachte Max und versenkte seinen Blick tief in ihre blanken Haselnussaugen.



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