Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel by Rinke Moritz

Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel by Rinke Moritz

Autor:Rinke, Moritz [Rinke, Moritz]
Format: epub, mobi
Tags: Roman
ISBN: 3462041908
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2010-03-16T23:00:00+00:00


Die sprechenden Räume, die Ödlandfrauen, und Herr Brüning bereitet die Bohrungen vor

Den Mittagstisch hatte Nullkück wie immer liebevoll hergerichtet mit frischen Rhododendron-Blüten und Buchweizenpfannkuchen mit Bauernschinken. Auf dem Herd neben der Pfanne stand Großmutters Rilketopf.

»Heute Nacht muss der Reichsbauernführer verschwinden«, sagte Paul.

Nullkück nickte.

Nach dem Mittagessen liefen sie durch das Haus und schoben die Möbel von den Wänden weg, die später eingerissen und abgetragen werden sollten, um dort mit den Bohrungen für die Pfahlgründung anzusetzen. Nach den Bohrungen würde man den Beton ins Moor gießen und die nachträgliche Gründung des Hauses durchführen. »So maakt wi dat, denn warrt de Gründung dörfbhrt«, das war Brünings Lieblingsformulierung, Paul konnte es kaum aussprechen, »warrt dörfbhrt«, wahrscheinlich musste man sich dafür flach auf den Boden legen.

»Meine Arbeiter aus Berlin kommen dann morgen«, rief ihm Paul durch den Garten zu.

»Köönt de dor överhaupt arbeiten?«, fragte Brüning, wohl eher scherzhaft. Er selbst würde noch drei weitere Hilfsarbeiter mitbringen, sodass man übermorgen mit den großen Bohrern und dem Beton anrücken könne und dann die Gründung »dörfbhrt«. Mit den Entwässerungen im Garten sei man am Nachmittag fertig, ganz nach Plan und im Kostenrahmen.

Paul und Nullkück standen im alten Elternschlafzimmer vor dem Bettgestell. Der große Spiegel mit dem barocken Goldrand und dem Engel, der einem beim Ankleiden zulächelte, lehnte wie früher an der zartblauen Wand aus Buchenholz. Sie trugen ihn vorsichtig von der Wand weg, dabei verfing sich Paul in dem Band, das sein Vater um den Kopf des Engels zu einer Schlaufe gebunden hatte, in die er seine Krawatten hängte.

Sie betraten das Atelier des Großvaters. Auf dem Schreibtisch aus Mahagoni lag der kantige, abgeschlagene Steinblock, den Pauls Großvater im Garten gefunden hatte und der während der Eiszeit herangespült worden war, als dieses Land noch ein Urstromtal und ein Meer voller Schmelzwasser gewesen war. Zu beiden Seiten des kleinen Findlings standen massive Leuchter mit weißen Kerzen. An der Wand hing der Abrisskalender von 1978: September, der 28. - der Tag, an dem Pauls Großvater gestorben war, zusammen mit dem Papst. Er hatte am Morgen noch den 28. abgerissen und war dann am Nachmittag vor der unvollendeten Skulptur des Bundeskanzlers Helmut Schmidt tot umgefallen.

Paul und Nullkück hoben den Sekretär an, dabei rutschte die Schublade nach vorne. Nullkück nahm eine Medaille mit rotem Band heraus und hängte sie Paul um den Hals.



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