Der Ketzerlehrling by Ellis Peters

Der Ketzerlehrling by Ellis Peters

Autor:Ellis Peters [Peters, Ellis]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: 9783453064430
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 1992-01-01T23:00:00+00:00


9. Kapitel

Am folgenden Morgen erschien Vater Elias, nachdem er seine Amtsbrüder in der Stadt aufgesucht hatte, in der Abtei und fragte vor dem Kapitel, ob einer der Brüder, die zugleich Priester waren, dem Schreiber Aldwin vor dem Gottesdienst zur Feier der Grablegung der heiligen Winifred die Beichte abgenommen hätte. Am Vorabend des Festtages waren die Beichtiger vermutlich vollauf beschäftigt gewesen; viele der Gläubigen, die den Zustand ihrer Seele eine Zeitlang vernachlässigt hatten, waren von ihrem Gewissen in den Beichtstuhl genötigt worden, damit sie den Festtag gereinigt und erfrischt begehen und in erneuertem Seelenfrieden beruhigt schlafen konnten. Wenn Aldwin an einen der Geistlichen herangetreten wäre, würde sich dieser bestimmt daran erinnern. Aber das war nicht der Fall. Es endete damit, daß Vater Elias enttäuscht und beunruhigt den Kapitelsaal verließ, wobei er den grauen Kopf schüttelte und die weiten, ausgefransten Ärmel seines Gewandes ihn umflatterten wie einen kleinen, zerzausten Vogel.

Bruder Cadfael begab sich vom Kapitel aus zu seiner Arbeit im Garten, die schäbige kleine Gestalt noch vor dem geistigen Auge. Vater Elias war ein Pedant, aber er gab nicht so leicht auf. Irgendwo und irgendwie mußte er seine Überzeugung begründen, daß Aldwin im Zustand der Gnade gestorben war, und dann würde er dafür sorgen, daß seiner Seele der ganze Trost und Beistand zuteil wurde, den die Kirche zu bieten hatte.

Aber er hatte es bereits bei jedem Priester in der Stadt und in der Vorstadt versucht, und bisher vergeblich. Und er war kein Mann, der einfach die Augen schließen und so tun konnte, als wäre alles in bester Ordnung; sein Gewissen hatte einen stahlharten Kern und würde ihm keine Ruhe lassen, wenn er ohne einen überzeugenden Grund von seinen Maßstäben abging. Cadfael empfand Mitgefühl sowohl für den auf Perfektion bedachten Priester als auch für das abtrünnige Mitglied seiner Gemeinde. In diesem Moment schien ihm ihr Fall sogar Vorrang zu haben vor Elaves mißlicher Lage. Elave war sicher genug untergebracht, bis Bischof Roger de Clinton entschied, was mit ihm geschehen sollte. Er konnte seine Zelle zwar nicht verlassen, aber es konnte auch kein Übereifriger eindringen und versuchen, ihm abermals den Kopf einzuschlagen. Seine Wunden verheilten, die blauen Flecke verblaßten, und Bruder Anselm, Vorsänger und Bibliothekar, hatte ihm den ersten Band der »Confessiones« des heiligen Augustinus gegeben, damit er sich die Zeit vertreiben konnte.

Und damit er feststellen konnte, hatte Anselm gesagt, daß Augustinus sich auch mit anderen Themen als Prädestination, Verdammnis und Sünde beschäftigt hatte.

Anselm war zehn Jahre jünger als Cadfael, ein magerer, tatkräftiger, begabter Mann, in dem noch immer ein Körnchen ununterdrückbaren Mutwillens steckte, auch wenn es gewöhnlich nicht zum Vorschein kam. Cadfael hatte vorgeschlagen, er sollte Elave doch lieber Augustinus’ »Gegen Fortunatus« zu lesen geben. Dort hätte er, geschrieben einige Jahre vor den wesentlich orthodoxeren Äußerungen des Heiligen in einer Periode stark schwankender Überzeugungen, lesen können: »Es gibt keine Sünde außer durch den eigenen Willen des Menschen, und deshalb beruht der Lohn, wenn wir das Rechte tun, gleichfalls auf unserem eigenen Willen.« Sollte Elave sich diesen Satz merken und ihn zu seiner Verteidigung



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