Der christliche Glaube als reflektierte Erfahrung by Jana Huisgen;

Der christliche Glaube als reflektierte Erfahrung by Jana Huisgen;

Autor:Jana Huisgen;
Format: epub
Herausgeber: Peter Lang Copyright AG


3.6.3. Die Bestimmung der schlechthinnigen Abhängigkeit von Gott als Ursprung der Freiheit im Weltverhältnis

Aufgrund seines Interesses an der Betrachtung des Spannungsfelds von Reformation und Neuzeit, das für die gesamte Theologie Ebeling charakteristisch ist,355 gelangt Ebeling über die Relation von Abhängigkeit und Freiheit zu der Verhältnisbestimmung der Theologie Luthers und Schleiermachers. Als eine grundlegende Motivation seiner Auseinandersetzung mit Schleiermacher bezeichnet Ebeling immerhin selbst die Notwendigkeit der „Rechenschaft darüber […], wie im Anschluß an die Reformation Theologie nach der Aufklärung zu verantworten sei.“356

Sein Interesse an einer vergleichenden Betrachtung der Theologie Luthers und Schleiermachers ist bereits in der Vorlesung von 1968 erkennbar. Die zentrale These der später erschienenen Lutherstudie entwickelt Ebeling bereits hier. Er erläutert, dass er in der Abgrenzung der Theologie von Metaphysik und Moral eine entscheidende Parallele zwischen Luther und Schleiermacher erkennt, insofern sich Schleiermacher in der Bemühung, das Wesen der Frömmigkeit durch die Unterscheidung von Metaphysik und Moral zur Reinheit zu bringen auffallend mit Luthers Abgrenzung der Sache der Theologie von Metaphysik und Moral berührt.357

In einem der letzten Vorlesungskapitel im Kontext der Analyse des ersten Abschnitts des materialen Teils der Glaubenslehre erläutert Ebeling die formale Struktur des schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühls in seiner ←125 | 126→Dreidimensionalität als Selbstbewusstsein, Gottesbewusstsein und Weltbewusstsein.358 Im Zusammenhang der Relationsbestimmung von Schleiermachers Begriff der schlechthinnigen Abhängigkeit und der partiellen Freiheit und Abhängigkeit des Menschen im Weltbezug kommt er hier zu der Deutung, dass „die Herrschaft der schlechthinnigen Abhängigkeit in den konkreten Lebensmomenten […] den Menschen erst in den wahren Stand der Freiheit der Welt gegenüber versetzt.“359 Diese Deutung der Gottesbeziehung als Grund der Freiheit und Abhängigkeit zugleich wird Ebeling zufolge auch bei Luther geltend gemacht, indem „die strikte Betonung des servum arbitrium Gott gegenüber […] nicht die relative Freiheit des Menschen im Umgang mit der Welt aus[schließt], sondern auch nach Luther „die Bejahung der Alleinwirksamkeit Gottes zum Heil ein Weltverständnis“ eröffnet, „das die Freiheit Signatur des Christentums sein lässt.“360 Der freie Wille des Menschen ist Ebeling zufolge im Denken Luthers und Schleiermachers so zu verstehen, dass er dem Menschen mit seinem Dasein als „animal rationale“ gegeben ist.361 Dieser freie Wille werde jedoch zu einem „versklavten Willen pervertiert“, insofern der Mensch darauf angelegt ist, ihn gegen Gott zum Einsatz zu bringen.362 Da Gott jedoch nicht als Gegenstand des menschlichen Handelns definiert werden könne und der freie Wille dogmatisch so definiert werden müsse, dass er in der göttlichen Ursächlichkeit gründet, resultiert aus seiner Verwendung gegen Gott, dass der Mensch in Widerspruch zu sich selbst tritt.363 Luther und Schleiermacher haben dieses Problem Ebeling zufolge dadurch gelöst, dass sie den Grund der Freiheit im Gewissen (Luther) und im Gefühl (Schleiermacher) verortet haben. Die Anerkennung der Abhängigkeit von Gott, die so zu verstehen ist, dass das Dasein in Gott gründet, ist Ebeling zufolge sowohl bei Schleiermacher als auch bei Luther als Grund der Gewissheit zu verstehen, die sich von der Gewissheit des Verstandes unterscheidet: „Was dem Leben Gewißheit verleiht, ist im Unterschied zum Wissen des Verstandes und zum Tun der Hand etwas, was unmittelbar das Herz berührt“ und den Glaubenden zur Freiheit bemächtigt.



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