Der Buddha aus der Vorstadt by Hanif Kureishi

Der Buddha aus der Vorstadt by Hanif Kureishi

Autor:Hanif Kureishi [Kureishi, Hanif]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-03-11T04:00:00+00:00


Kapitel elf

Es war Frühling. Ich verabschiedete mich von Bagheera, Baloo und den anderen (Shadwell konnte mir den Buckel runterrutschen) und ließ mich am letzten Abend nicht mal auf der Party blicken. Einige Zeit später stand ich dann in einem sauberen, strahlend hellen Probenraum mit poliertem Holzfußboden (damit wir barfuß herumlaufen konnten) in einer Kirche am Fluß, nicht weit von der Chelsea Bridge. In Pykes Gruppe waren wir sechs Schauspieler, drei Männer und drei Frauen. Zwei von uns waren offiziell »schwarz« (obwohl ich, genau besehen, eher beige als alles andere war). Keiner von uns war älter als dreißig Jahre. Außer mir kam nur Carol mit dem verkniffenen Gesicht aus Suburbia (deshalb durchschaute ich ihre ehrgeizige Tour auch sofort), und sie hatte schon einmal mit Pyke gearbeitet. Dann war da noch die neunzehnjährige, schwarze Schauspielerin Tracey mit ihren unerschütterlichen, wenn auch etwas seltsamen Ansichten, und die rothaarige Eleanor, Anfang zwanzig. Sie schien routiniert und ziemlich vernünftig zu sein, und im Unterschied zu Carol tat sie nicht ständig so, als wäre sie ein Star. Die beiden männlichen Schauspieler, Richard (schwul) und Jon, gehörten zur Sorte der verläßlichen, zynischen Gelegenheitsschauspieler, die sich seit Jahren in den Londoner Alternativtheatern herumtrieben und für einen Anteil von den Karteneinnahmen in Zimmern über Kneipen, in Kellerlöchern, auf Festivals oder bei Straßentheatern spielten. Sie waren nicht besonders anspruchsvoll: Sie verlangten nur eine gute Rolle, einen Regisseur, der weder ein Narr noch ein Diktator war, und nicht weit vom Spielort eine gemütliche Kneipe mit vernünftigem Bier. Außerdem gehörte eine Schriftstellerin zur Gruppe, Louise Lawrence, eine ernste und selbstgenügsame Frau aus dem Norden, die eine Brille mit dicken Gläsern trug und wenig sagte, aber jedes Wort aufschrieb, besonders die dummen Bemerkungen.

Jeden Morgen um zehn radelte ich nach Chelsea, Evas Kraftfrühstück - mit Pilzen überbackenen Toast - im Magen, und fuhr zur Feier des Tages und meines Lebens freihändig rund um die Kirche. Ich hatte mich noch nie so fantastisch gefühlt. Dies war in mehr als einer Hinsicht meine große Chance.

Pyke, mit ergrautem Haar und athletischem Körper, in blau glänzendem Trainingsanzug, saß meistens am Tisch, die Füße auf einem Stuhl. Lachende Schauspieler und zwei Inspizientinnen, junge Mädchen, die ihn vergötterten und beinahe so etwas wie seine persönlichen Dienerinnen waren, umringten ihn. Die Inspizientinnen kümmerten sich um seine Zeitungen, seinen Orangensaft und organisierten seine Trips nach New York. Die eine trug sein Notizbuch, die andere die Bleistifte und den Anspitzer. Sein Wagen (den Richard nur »Pvkes Penis« nannte: »Pykes Penis blockiert die Auffahrt« oder »Pykes Penis beschleunigt in dreißig Sekunden von Null auf hundert«) war den Inspizientinnen wichtiger als alles andere. Und jeden Morgen verbrachten sie viele Stunden am Telefon, um Pykes Verabredungen mit Frauen zu arrangieren.

Die Atmosphäre, die Pyke um sich herum schuf, war völlig anders als bei Shadwells angespannten und chaotischen Proben, die Shadwell für die Arbeitsweise eines Genies hielt. Bei Pyke begann der Morgen mit Frühstück und ausführlichem Klatsch, der so grausam und drastisch war, wie ich ihn vorher noch nicht gehört hatte. Meine Mutter hätte uns verboten, so über jemanden zu reden.



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