Der blaue Liebesknoten by Anna Fuchs

Der blaue Liebesknoten by Anna Fuchs

Autor:Anna Fuchs
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2014-06-16T22:00:00+00:00


26 Gürtel

27 Ein unehrenhafter Beruf im mittelalterlichen Wien. Die bedauernswerten Menschen mussten die Sickergruben ausschaufeln und saubermachen.

Wien, Pfingstsonntag (29. Mai) 1384

»Ich darf Euch untertänigst beste Grüße meines Vaters ausrichten, hochwürdigster Herr, und Euch mitteilen, dass er sich sehr auf eine Zusammenkunft mit Euch freut, so Ihr wieder einmal in Prag weilen solltet!« Lächelnd verbeugte sich Wenzel Parler und küsste den Bischofsring am Finger seines Gegenübers. Die Stephanskirche leerte sich langsam nach dem festlichen Gottesdienst, der eben vom Dompropst beendet worden war, und die Wiener strebten nach draußen, um nach dem vielen Beten einen wohlverdienten Schluck in den nahen Wirtshäusern zu tun. Das Wetter war endlich mild geworden, und so konnten viele das erste Mal im Freien zechen und tafeln.

Berthold von Wehingen, im kostbaren Ornat mit der goldgestickten Taube und den Akanthusblättern gekleidet, bedachte den stämmigen, seinem Vater in Vielem ähnlichen jungen Mann mit Wohlwollen und antwortete: »Es wird wohl noch eine Weile hin sein, bevor ich mein Prag wieder sehe, zu viel ist hier in Wien zu tun. Wiewohl ich jedoch sehr gerne mit Eurem Vater über die goldenen Zeiten unter Kaiser Karl plaudern würde.« Berthold von Wehingen hatte an der Karlsuniversität studiert, in Wien seinen Artistenmagister erlangt und war mit nicht einmal 30 Jahren als Rektor der juridischen Fakultät in die Goldene Stadt zurückgekehrt, wo er zwei Jahre lang blieb und eng mit dem Kaiser zusammenarbeitete. Da war es unumgänglich, auch mit dem Hofbaumeister Parler in Freundschaft verbunden zu sein. Doch seine Miene verfinsterte sich, als er Wenzel fragte: »Stimmt es, dass die goldenen Zeiten wirklich zu Ende gegangen sind, nur sechs Jahre nach dem Tod des Vaters soll der Sohn dem Land Ehre, Ruhm und Schönheit vorenthalten?«

Auch Wenzel wurde ernst und sagte leise: »Ja, die Mühlen mahlen jetzt anders in Prag, es scheint, dass das, was früher recht und billig war, nun gar nicht mehr genügt.«

»Ach, Parler, Ihr sprecht in Rätseln, doch ich kann es Euch nicht verdenken. Aber seid gewiss, dass alles, was Ihr mir hier sagt, nicht für fremde Ohren bestimmt sein wird. Stimmt es, dass König Wenzel die meiste Zeit betrunken ist, dass er Tobsuchtsanfälle hat und sich oft tagelang mit seinen Hunden einschließt?«

Der junge Baumeister nickte nur.

»Es ist also so schlimm, wie es mir meine Gesandten berichten?«

Wieder nickte Parler, raffte sich dann aber doch auf und berichtete vom Empfang vor der Abreise nach Wien. Er schilderte den König des Reiches als verspielten, launenhaften und dem Einfluss schlechter Berater ausgesetzten labilen Mann. Berthold senkte betroffen sein Haupt.

»Gibt es denn nicht einen, der ihm den rechten Weg zeigen, der ihn an das Vorbild seines Vaters erinnern könnte?«

»Nun, Kolditz und Wartenberg waren anwesend«, berichtete Parler weiter, »und der Vetter kam auch dazu, der … der aus Mähren!«

»Jobst?«

»Ja. Uns schien es, als würde sich der König sehr über seine Anwesenheit freuen! Aber was wissen denn wir schon. Ich, ein Baumeister, der noch grün hinter den Ohren ist, mein Vetter, ein Student, und ein Augustinermönch …«

»Nun, oft sehen Außenstehende besser, als es die Vertrauten je könnten. Aber vielleicht ist



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