Das Risikobarometer - Wie gefährlich ist unser Leben wirklich? by Heyne

Das Risikobarometer - Wie gefährlich ist unser Leben wirklich? by Heyne

Autor:Heyne
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2010-12-15T16:00:00+00:00


Technische Entwicklungen - Kein Fortschritt ohne Risiko

Probleme kann man nicht lösen, bevor man sie entdeckt hat. Deshalb benötigt der Mensch auch immer wieder Zwischenfälle und Katastrophen, um Risiken erkennen, beurteilen und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Es gibt immer nur Versuch und Irrtum. Alles Lernen kommt davon, dass man sich seines Irrtums bewusst wird. Leider gibt es viele Irrtümer, die man nicht wiedergutmachen kann. Umso mehr muss man versuchen, diejenigen, die man gutmachen kann, auch gut zu machen.

Die Kerntechnologie ist die erste Technologie in der Technikgeschichte, von der man etwas bis dahin Beispielloses verlangt hat: Unglücksfälle durch Voraussicht zu vermeiden. Die Katastrophe von Tschernobyl ändert nichts an der Tatsache, dass dies über 30 Jahre lang funktioniert hat.

Dass viele Menschen Großtechnologien vehement ablehnen, ist durchaus verständlich. Die meisten entwickeln Widerstand, wenn sie das Gefühl haben, einer Gefahr ausgesetzt zu werden, die zu einer Katastrophe führen kann. Und zu diesen Gefahren wird - vor allem wegen ihrer potenziell grenzüberschreitenden und generationenübergreifenden Wirkung - die Kernenergie gezählt. Auch deshalb schätzt der Durchschnittsbürger die Gefahren der Energiegewinnung aus Kernspaltung wesentlich höher ein als die aus jeder anderen Art der Energieerzeugung.

Experten halten dies für eine Fehleinschätzung der Situation. Und sie begehen den psychologischen Fehler, das Risiko der Kernenergienutzung vor allem als eine sehr kleine Wahrscheinlichkeit darzustellen und sich in der öffentlichen Diskussion nicht um das zu kümmern, was die Menschen wirklich beschäftigt, nämlich das Schadensausmaß. Genau dieses aber hat schon vor Tschernobyl die Gegner immer wieder veranlasst, auch die friedliche Nutzung der Kernenergie als moralisch unverantwortlich darzustellen. Nach Tschernobyl genügt nun schon jeder Abschaltvorgang in einem Reaktor, diesen beim Bürger nicht als Funktionieren von Technik, sondern als ihr Versagen bewusst werden zu lassen.

Im Grunde möchte der Mensch nicht hören, dass die Wahrscheinlichkeit eines atomaren Großunfalls extrem gering ist. Er möchte den Beweis, dass es zu einem solchen gar nicht kommen kann. Diese Erwartung ist, wie wir wissen, unrealistisch. Sie vernachlässigt zudem die Tatsache, dass auch alternative Methoden der Energiegewinnung - ich denke da beispielsweise an Offshore Windparks und ihre Auswirkungen auf Meeresanwohner, Schifffahrt und See- und Zugvögel - Risiken mit sich bringen.

Befragungsergebnisse über die verschiedensten Gesichtspunkte der Kernenergienutzung machen deutlich, dass über ihre Risiken wesentlich festere Meinungen vertreten werden als über ihre Chancen. Von Befürwortern wie Gegnern der Kernenergie werden die gleichen Aspekte als Vorteile oder Nachteile angeführt, wobei die Gegner verständlicherweise die Vorteile geringer und die Nachteile größer einschätzen als die Befürworter. Diese entgegengesetzten Meinungen kommen auch in der Art zum Ausdruck, wie argumentiert wird: überwiegend rational bei den Befürwortern, stark gefühlsbetont bei den Gegnern.

Die großen Industriekatastrophen der Vergangenheit beweisen nicht die unbeherrschbaren Risiken der Technik, sondern sind leider traurige Beispiele für unsachgemäßen, sorglosen und teils auch bewusst falschen Umgang mit ihr. Nicht als Folge technischen Versagens, sondern grober menschlicher Fehler wurde in Tschernobyl eine Katastrophe mit weltweiten Folgen ausgelöst. Sorglosigkeit führte zum Chemie-Unglück von Seveso. Unerfahrenheit im Umgang mit Technik hat Tausenden von Menschen in Bhopal das Leben gekostet. Leichtfertig und risikofreudig haben amerikanische Manager das Leben ihrer Astronauten im Raumfahrt-Programm Challenger aufs Spiel gesetzt.



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