Das richtige Leben: Roman (German Edition) by Bielenstein Daniel

Autor:Bielenstein, Daniel [Bielenstein, Daniel]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105690062
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2014-10-02T04:00:00+00:00

13.

Wendezeit

1981 zogen wir aus unserem süddeutschen Exil zurück in die Zivilisation, dieses Mal nach Köln, aber Kajo war damals eigentlich der Einzige, der sich darüber freute. Wir Kinder hatten uns endlich mit unserer Heimat auf dem Land abgefunden, wir hatten unsere Freunde und wollten bleiben, aber Kajo war vollkommen aus dem Häuschen bei der Vorstellung, wieder in die Stadt zu kommen. Er hatte in den zurückliegenden Jahren über tausend Manuskriptseiten vollgeschrieben mit seinen langen, verzwirbelten, irgendwie marxistischen Sätzen, und dafür war er mit einer Professur belohnt worden. Er war, das weiß ich heute, einer der letzten, der durch das weit geöffnete Tor der Berufungen hindurchschlüpfte, bevor auch damit Schluss war und man sich seitdem etwas mehr anstrengen muss, um etwas zu werden, an der Universität und überhaupt im Leben. Kajo dagegen hielt die Sache damals wie heute für selbstverständlich. Er war endlich da, wo er hingehörte, jedenfalls nachdem der Traum von der Revolution ausgeträumt und beerdigt war: an der Universität, seiner wahren Heimat.

Bei Mo lagen die Dinge anders. Sie entschloss sich zunächst, nicht zu arbeiten. Kajo verdiente jetzt genug Geld für uns alle, und sie wollte sich um das Haus, um uns Kinder, um ihre Zukunft kümmern. Eine Art Neuanfang.

Zunächst einmal machte Mo sich daran, uns ein gemütliches Zuhause zu schaffen, und so begann sie das Haus meiner Großeltern, in das wir gezogen waren, zu renovieren. Oma und Opa Eckhorn machten uns Platz und zogen in die Einliegerwohnung unter dem Dach, aber der Rest des Hauses war in einem katastrophalen Zustand, alles war überzogen von der Patina der 50er Jahre, alles roch nach Essen, Tabak, 4711, und für Mo gab es unendlich viel zu tun.

In Wahrheit ging es ihr um etwas ganz anderes. Mo wollte durch die Monate des Heimwerkens Zeit gewinnen. Die brauchte sie, um herauszufinden, was sie eigentlich mit dem Rest ihres Lebens, wie sie es selbst nannte, anfangen sollte. Sie war vierzig Jahre alt, was sie oft genug betonte, und für Leute aus ihrer Generation kam das offenbar einem Todesurteil gleich. Midlife-Crisis, Depression, was weiß ich, jedenfalls standen die Zeichen bei ihr eindeutig auf Krise.

Monatelang gingen Handwerker ein und aus. Im Vorgarten stand ein riesiger Müllcontainer, der sich immer wieder von neuem mit Bauschutt und alten Möbeln füllte. Mo trug Malerhosen, alte T-Shirts, ein Stirnband. Wenn wir mittags von der Schule nach Hause kamen, war sie verschwitzt und voller Farbspritzer. Sie lachte und sah zufrieden aus, alles entwickelte sich wunderbar. Es gab Räubermahlzeiten auf einem Stück Plastikfolie, kalte Koteletts, ein Stück Gurke, Käsebrote. Wir schmatzten zufrieden, während uns der Geruch der frischen Farbe schwindelig machte. Monika tapezierte, verlegte Fußböden, brachte Bücherregale an, und sie ließ sogar ein paar Mauern versetzen. Sie baute eine neue Küche ein, legte die Deckenbalken frei, entschied sich für neue Fenster. Sie machte fast alles selber, und sie war so tatkräftig und energisch wie immer. Am Ende begann sie, neue Möbel zu kaufen und die Zimmer einzurichten.

Als das Haus beinahe fertig war, suchte sie sich eine neue Herausforderung, und dann begann sie, den Garten umzugestalten.

Download

Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.