Das Leben in meinem Sinn by Susanna Ernst

Das Leben in meinem Sinn by Susanna Ernst

Autor:Susanna Ernst [Ernst, Susanna]
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Sarah erzählt.

Ich schnelle hoch, aus tiefem Schlaf gerissen, und starre in mein eigenes Gesicht. Der große Spiegel an der gegenüberliegenden Wand reflektiert meinen Schock. Josie! Sie weint!

Panik durchfährt mich, schon bin ich auf den Beinen.

Doch nein! Josie weint ja gar nicht, sie lacht höchstens Tränen.

Ich lausche noch einen Moment, dann bin ich mir sicher. Josie geht es blendend. Dem Kreischen und Lachen meiner Tochter folgend, verlasse ich das urgemütlich eingerichtete Gästezimmer, durchquere den Wohnraum und schleiche über den schmalen Flur zu Bens Schlafzimmer. Neugierig schaue ich um die halb geöffnete Tür.

Meine Tochter liegt rücklings auf dem Bett und windet sich unter Bens großen Händen. Der liegt neben ihr, halb über sie gebeugt, und kitzelt ihre Seiten. Alberta hält einen von Josies Füßen und nagt an der kleinen Sohle herum.

Ich beobachte das Treiben unbemerkt. Verstehe zunächst nicht, warum, aber mit einem Mal ist es mir, als läge eine Schlaufe um mein Herz, die sich mit jeder Sekunde, in der ich die Szene vor mir beobachte, weiter zuzieht.

Dann wird mir bewusst, was mich stört: Es sind die falschen drei, die hier miteinander tollen. Ben hat quasi über Nacht den Platz eingenommen, den Daniel schon lange nicht mehr besetzt hatte.

Alberta ist so viel mehr als bloß Josies Nanny, und ich habe immer darauf gehofft, Daniel würde das irgendwann erkennen. Doch diese Erkenntnis blieb aus. Zwischen Dan und Berta war niemals eine Form von Herzlichkeit entstanden.

»Alberta, könnten Sie bitte …« und »Selbsteverständeliche, Mister Johnson«, oder so ähnlich. Sie nannte ihn nicht einmal ›Signore Johnson‹, sondern tatsächlich ›Mister‹.

Die einzigen Unterhaltungen, die zwischen den beiden stattfanden, verliefen höflich, aber distanziert. Ein Herr und seine Angestellte.

Und Ben duzt sie jetzt schon.

Wie sehr habe ich mir immer ein richtiges Familienleben für meine Kinder gewünscht. Ein Familienleben, wie ich es selbst kennengelernt habe, trotz meines berühmten Daddys. Sobald der unser Elternhaus betrat, fungierte er ausschließlich als Vater und Ehemann. Er tollte mit uns Kindern auf dem Fußboden, schleppte uns huckepack durchs Haus und kitzelte uns genauso, wie Ben das nun mit Josie tut. Mein Dad besuchte die Elternabende unserer kleinen Dorfschule und brachte uns zum Arzt, wenn wir krank waren. Das Aufsehen, das er hervorrief, sobald er einen Fuß über die Schwelle nach draußen setzte, spielte er uns gegenüber stets in typisch derber britischer Art herunter.

»Diese Leute verstehen einfach nicht, dass die Menschen, die sie ›Stars‹ nennen, genauso aufs Klo gehen müssen wie jeder andere auch.«

Ein Schmunzeln bildet sich auf meinem Gesicht, als ich mich an einen bestimmten Nachmittag mit meiner Familie erinnere, der mir bis heute als ein besonderer im Gedächtnis geblieben ist. Mein Vater verkündete an jenem Morgen am Frühstückstisch, wir sollten uns beeilen, er wolle einen Tagesausflug nach London unternehmen. Ich war damals gerade sechs Jahre alt geworden und besuchte erst seit wenigen Wochen die Schule. Es war ein sonniger Tag. Wir aßen Mittag in einem kleinen Restaurant und bekamen nach unserem Besuch in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett im Herzen der Stadt ein Eis spendiert.

Ein nahegelegener Werbestand mit vielen bunten Luftballons lockte meine Brüder und mich an.



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