Das himmlische Kind by Heinrich Steinfest

Das himmlische Kind by Heinrich Steinfest

Autor:Heinrich Steinfest
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-41687-7
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2012-10-23T04:00:00+00:00


11

Die Sonne war hinter dicken Wolken verschwunden. Erneut wirkte der Tag wie ausgewechselt. Nichts blendete mehr, eher schien das Licht verschluckt. Ein Wind war zu spüren, der Miriam aber sehr viel wärmer vorkam als der eisige Stillstand der Luft von zuvor. Abermals lag der Geruch von neuem Schnee in der Luft. Es roch angebrannt, als sei der Schnee schon zu lange im Backrohr. Miriam überlegte, ob es nicht besser wäre, erst am nächsten Tag loszumarschieren. Nicht ausgerechnet jetzt, wo das Wetter umschlug. Andererseits … Nein, sie wollte es versuchen, solange ihr Bruder überhaupt noch die Kraft besaß, eine derartige Anstrengung zu bewältigen. Er wirkte jetzt ungemein schwach, wie er da im Schnee stand und seine Arme in der Art des Aquapets an ihm herunterbaumelten. Und in der Tat sagte er auch, er würde lieber wieder zurück ins Bett gehen. Seine Beine würden schmerzen, seine Knochen. »Meine Knochen sind wie zersägt.«

»Die sind nur eingerostet«, versicherte Miriam. »Beim Gehen wird das gleich besser werden. Also los!«

Sie nahm ihren Bruder an der Hand. Freilich mußte sie den Griff bald wieder lösen, um zwischen den eng stehenden Tannen hindurchzugelangen und für sich und Elias eine Schneise zu schlagen.

Von hinten her fragte Elias: »Sag, Miriam, was war mit Grote … mit Grote und Frankenstein? Sind die schon durch die Tür gegangen?«

Elias mußte seine Stimme deutlich anheben, um das Lärmen des Windes zu übertönen. Der aufkommende Sturm schlug gegen die Äste und Stämme und Wipfel in einer Art, die Miriam an den Abspann der Familie-Feuerstein-Filme erinnerte, wenn Fred, der korpulente Chef der Sippe, an die Türe des eigenes Wohnhauses hämmert und lautstark nach seiner »Wilma!!« schreit.

Und so kam es, daß Miriam gar nicht hörte, wie Elias sich nach dem Schicksal des Professors und des Arbeiters erkundigte. Sie drang fortgesetzt durch das Geäst, fortgesetzt zweifelnd, ob es nicht doch besser wäre, umzukehren. Zugleich fühlte sie sich von einem unsichtbaren Band gezogen, einem Band, gespannt zwischen die sichtbaren Schleifen, die Miriam zuvor an die Äste gebunden hatte.

Ein vielfaches lautstarkes Flüstern erfüllte die Luft. Wie vor einem Konzert, wenn alle tuscheln. Erste Flocken mischten sich in die umherfegenden Luftwirbel.



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