Das gelobte Land by E. M. Remarque

Das gelobte Land by E. M. Remarque

Autor:E. M. Remarque [Remarque, E. M.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3462305433
Herausgeber: EBook by Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 2012-02-05T23:00:00+00:00


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XIII

»Wo bleiben Sie nur?«, sagte Reginald Black.

Ich zeigte auf die Uhr. Es war zehn Minuten nach neun. »Rechtsanwälte öffnen ihre Büros auch erst um neun«, sagte ich. »Ich musste Schulden bezahlen.«

»Schulden bezahlt man mit einem Scheck. Das ist bequemer.« »Ich habe noch kein Bankkonto«, erwiderte ich. »Nur Schulden.«

Black überraschte mich. Er war nicht mehr der gepflegte Weltmann mit den lässigen Manieren. Er war heute gespannt, nervös, ohne es zeigen zu wollen, auch sein Gesicht hatte sich geändert. Die leicht gepolsterte Weichheit war verschwunden; sogar der Bart wirkte straffer, – nicht mehr assyrisch, sondern levantinisch. Ein Salontiger, der auf Raub ausging.

»Wir haben wenig Zeit«, sagte er. »Wir müssen Bilder umhängen. Kommen Sie!«

Wir gingen in den Raum mit den zwei Staffeleien. Black holte aus einem Nebenraum, der mit einer Stahltür verschlossen war, zwei Bilder hervor und stellte sie auf. »Sagen Sie mir ohne nachzudenken, welches Sie kaufen würden. Rasch!«

Es waren zwei Degas; beides Bilder von Tänzerinnen. Beide ungerahmt. »Welches?«, fragte Black. »Eines von beiden. Welches?«

Ich deutete auf das linke. »Dieses da gefällt mir am besten.«

»Das will ich nicht wissen. Welches würden Sie kaufen, wenn Sie Millionär wären?«

»Immer noch das linke.«

»Welches halten Sie für wertvoller?«

»Wahrscheinlich das andere. Es ist weiter ausgeführt und nicht so skizzenhaft. Aber das wissen Sie doch selbst viel besser als ich, Herr Black.«

»In diesem Falle nicht. Ich bin interessiert am naiven, spontanen Urteil eines Mannes, der nicht viel versteht. Eines Kunden«, fügte er hinzu, als er meinen Blick sah. »Schnappen Sie nicht gleich ein! Was die Bilder wert sind, weiß ich selbst; aber der Kunde ist immer eine unbekannte Größe. Verstehen Sie jetzt?«

»Gehört das zu meiner Arbeit hier?«, fragte ich.

Black lachte und war plötzlich wieder der etwas gefährliche und nicht ganz Vertrauen erweckende Charmeur von früher. »Warum zeigen Sie dem Kunden nicht beide Bilder«, sagte ich.

Black blickte mich amüsiert an. »Das wäre katastrophal«, erklärte er. »Er würde sich nie entscheiden können und nichts kaufen. Man zeigt ihm höchstens drei, vier Bilder, und nicht vom selben Meister. Von verschiedenen. Wenn er sich nicht entscheiden kann, lässt man ihn gehen und zeigt ihm nicht angstvoll alles, was man hat. Man wartet, bis er wiederkommt. Darin zeigt sich der echte Kunsthändler; dass er warten kann. Wenn der Kunde dann wiederkommt, erklärt man, dass zwei der ihm anfangs gezeigten Bilder verkauft seien; auch wenn sie noch da sind. Oder dass sie auf eine Ausstellung geschickt wären. Dann zeigt man ihm zwei, drei der ersten noch einmal, – dazu zwei, drei, höchstens vier neue. Man kann auch behaupten, dass ein Bild zu einem Kunden geschickt sei zur Ansicht. Das belebt das Interesse ebenfalls. Nichts ist lockender, als einem andern etwas vor der Nase wegzukaufen. Das Ganze nennt man: den Kunden anfüttern.« Reginald Black blies eine Rauchwolke von sich. »Wie Sie sehen, wollte ich Sie nicht beleidigen; ich will Sie eher zu einem guten Kunsthändler erziehen. Jetzt wollen wir die Bilder rahmen. Gesetz Nummer zwei: nie einem Kunden ein ungerahmtes Bild zeigen!«

Wir gingen in den Raum, in dem Rahmen aller Größen hingen. »Nicht einmal einem Museumsdirektor!«, erklärte Black.



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