Das geheime Netzwerk der Natur by Wohlleben Peter

Das geheime Netzwerk der Natur by Wohlleben Peter

Autor:Wohlleben, Peter [Wohlleben, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ludwig
veröffentlicht: 2017-09-10T22:00:00+00:00


Märchen, Mythen und die Artenvielfalt

Wir haben nun eine Reihe von Zusammenhängen in der Natur betrachtet, die teilweise sehr kompliziert wirken. Doch auf andere, in Ihren Augen vielleicht wesentlich offensichtlichere Zusammenhänge bin ich bisher nicht eingegangen, und das hat einen guten Grund: Sie existieren nicht.

So wird beispielsweise schon seit ewigen Zeiten der Fruchtbesatz bei Buchen und Eichen zur Wettervorhersage genutzt. Eine alte Bauernregel besagt: »Viele Buchnüsse und Eicheln, dann wird der Winter nicht schmeicheln.« Oder: »Viele Eicheln im September, viel Schnee im Dezember.« Um dem Wahrheitsgehalt auf die Spur zu kommen, stellt sich zuerst die Frage: Warum sollte ein Baum das tun? Wie könnte ihm die Bildung vieler Samen über den Winter helfen, oder wie wären die indirekten Auswirkungen?

Ich weiß darauf leider keine Antwort – fest steht nur, dass Eichen und Buchen sich jeweils innerhalb ihrer Art auf einen gemeinsamen Blühtermin verabreden, um im Abstand einiger Jahre gewaltige Mengen an Früchten auf einmal zu produzieren. Grund war die bereits angesprochene Populationsentwicklung der Pflanzenfresser, die sich so nicht auf ein dauerhaft gleiches Angebot einstellen können. Das hat aber mit dem Winter nichts zu tun.

Ein weiterer Punkt kommt hinzu: Die Blütenknospen werden (genau wie die Knospen für die Blätter auch) schon im Sommer des vorherigen Jahres angelegt. Sollte der Baum seine Samenproduktion auf die Wintertemperaturen anpassen, so müsste er das demnach schon mehr als ein Jahr im Voraus erahnen und planen können. Buchen und Eichen stehen für die Wintervorhersage aber kaum andere Mittel als uns Menschen zur Verfügung. Die Bäume können die abnehmende Tageslänge sowie die fallenden Temperaturen zur Kenntnis nehmen. Danach steuern sie auch den Laubabwurf, um ihn rechtzeitig vor dem ersten heftigen Schneefall abzuschließen. Und selbst diese kurzfristige Vorhersage gelingt ihnen in vielen Jahren nicht, wie frühe Wintereinbrüche im Oktober immer wieder zeigen. Dann brechen die teils noch grün belaubten Zweige unter der schweren Last nassen Neuschnees ab; für die Bäume eine schmerzhafte Lektion. Sie können zumindest in jungen Jahren daraus lernen und werfen künftig etwas früher ab. Das ist aber lediglich eine Vorsichtsmaßnahme und hat nichts mit einer verbesserten Vorhersage zu tun. Es bleibt festzuhalten: Eine einjährige Vorhersage ist selbst Bäumen nicht möglich.

In Ordnung, aber wie sieht es mit den Eichhörnchen aus? Auch ihnen wird im Volksglauben eine Vorhersage strenger Winter zugeschrieben. Sammeln sie besonders emsig, verstecken sie große Vorräte an Eicheln und Bucheckern, dann wird der Winter besonders streng. Wirklich? Ich glaube, Sie können die Antwort selber geben. Natürlich haben auch diese hübschen Nagetiere keinen siebten Sinn für das Wettergeschehen der nächsten Monate, nein, ihr Sammeltrieb ist lediglich eine Frage des Angebots. Produzieren die Bäume viele Samen, dann können die roten Kobolde auch viel verstecken. In den Pausenjahren, wenn per Baumverabredung kaum etwas an den Bäumen hängt, finden die Tiere entsprechend wenig, und wir können sie kaum beim Verstecken beobachten.

Ein Zwischending zwischen Mythos und Realität stellen Zusammenhänge dar, die zwar bestehen, deren Erklärung jedoch falsch ist. Der Klassiker ist für mich persönlich das gemeinsame Auftreten von Zecken und Ginster. Die kleinen Blutsauger halten sich, so die verbreitete Meinung, besonders gern in Ginsterbüschen auf.



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