Camp21. Grenzenlos gefangen by Rainer Wekwerth

Autor:Rainer Wekwerth [Wekwerth, Rainer]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller
Herausgeber: Arena Verlag GmbH
veröffentlicht: 2016-12-25T23:00:00+00:00

21.

Lauf schneller«, feuerte Kayla Mike an.

Die Sonne ging gerade hinter den Bäumen auf und der Wald atmete die Nacht in feuchten bleichen Schwaden aus.

Zum ersten Mal hing Kayla beim morgendlichen Lauf nicht weit hinter ihm, sondern lief neben ihm. Ihre Wangen waren gerötet und feine Schweißtropfen perlten auf ihrer Stirn, aber sie lachte und rannte in kraftvollen Schritten neben ihm her. Sie sah wundervoll aus, und wenn Mike nicht so aus der Puste gewesen wäre, hätte er vielleicht sogar den Mut gefunden, es ihr zu sagen, so aber keuchte er in schweren Atemzügen, während seine Beinmuskeln brannten, als hätte jemand Terpentin darübergegossen und angezündet.

Vor ihnen ging es nun einen steilen Hügel hinauf und Kayla wurde noch schneller. Was war bloß mit diesem Mädchen los?

»Komm jetzt, gib Gas, Mike.«

»Ich … kann … nicht … Lauf … du … vor …«

»Okay«, rief Kayla fröhlich. »Wir sehen uns im Camp.«

Sie flog geradezu davon und den Hügel hinauf.

Hinter ihr kam Steve herangestürmt. Auch er wirkte frisch und kraftvoll und im Gegensatz zu sonst blieb er nicht hinter ihm, sondern holte rasant auf, bis sie beide nebeneinanderliefen.

Ist hier eigentlich jeder fitter als ich?

Steve grinste ihn an. »Was ist los, Tussi? Lässt du dich jetzt schon von kleinen Mädchen abhängen?«

Mike hätte ihm gern gesagt, dass er ihn am Arsch lecken könne, aber dazu fehlte ihm die Luft. Steve spuckte ihm vor die Füße und rannte schneller. Auch er verschwand kurz darauf hinter dem Hügel, den Mike noch immer vor sich hatte. Er war nun der Letzte der ganzen Gruppe, alle Jugendlichen und die beiden mitlaufenden Betreuer waren außer Sichtweite. Das war ungewöhnlich, aber anscheinend vermisste ihn niemand.

Allein zu sein, hatte den Vorteil, dass niemand seine Schwäche sah und über ihn spotten konnte und, verdammt noch mal, er fühlte sich wirklich schlapp und Seitenstechen kam jetzt auch noch dazu.

Morgen wird es wieder besser gehen.

Aber im Augenblick brauchte er eine Pause. Ohne weiter nachzudenken, blieb Mike stehen und beugte sich nach vorn. In tiefen Zügen versuchte er, Luft in seine gequälten Lungen zu pumpen, aber es war mühsam, und nur langsam konnte er besser atmen.

Als er sich aufrichtete, begann es in seinem Handgelenk zu kribbeln. Alle Härchen an seinem Arm stellten sich auf. Mike starrte auf die Handfessel, deren rote Leuchtdiode nun blinkte.

Oh nein!

Das konnte nur eines bedeuten. Kayla war inzwischen so weit vorausgelaufen, dass sich die Fessel aktivierte. Er war einfach stehen geblieben und so hatte sich die Distanz zwischen ihnen auf ein kritisches Maß ausgedehnt.

Noch während er darüber nachdachte, ob Kayla die Aktivierung der Handfessel ebenfalls spürte, raste die erste Schmerzwelle heran und riss ihn fast von den Beinen.

Gleißender Schmerz jagte durch seinen Arm die Schulter hinauf und breitete sich von dort in seinem ganzen Körper aus. Mike begann zu zittern. Vor seinen Augen tanzten silberne Punkte. Er wusste, er musste loslaufen und die Distanz zu Kayla verringern, aber er hatte die Orientierung verloren, sah nicht mehr klar, also taumelte er nach vorn in eine neue Woge des Schmerzes hinein.

Falsch. Falsch. Ich muss in die andere Richtung.

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