Blut und Silber by Ebert Sabine
Autor:Ebert, Sabine [Ebert, Sabine]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: 978-3-426-55952-9
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2011-12-20T23:00:00+00:00
In der Höhle des Löwen
Änne wusste noch nichts von Markus’ Verhaftung, als sie am nächsten Morgen mit Clementia unterwegs war, um Leinen für Verbände und frisches Brot zu kaufen.
An den Brotbänken hörte sie die Frauen wispern.
»… gefangen und in den Käfig gesperrt … Er soll furchtbare Wunden haben. Zur Nacht sollen sie ihn fortgebracht haben, und niemand weiß, wohin.«
Das Herz stockte ihr, das Frühmahl in ihrem Magen schien sich in einen Stein zu verwandeln.
Seit Wochen wartete sie schon auf Markus’ Rückkehr. Und hatte sie in ihren Alpträumen nicht immer wieder genau dieses Bild gesehen – ihr Liebster gefangen im Käfig auf dem Burghof?
Hastig drückte sie dem Brothändler die Münzen in die Hand und drehte sich um. Wer war es, der da gerade gesprochen hatte? Es konnte nur Bertha gewesen sein, die Frau des Gürtlers, der nun wieder in seinem notdürftig reparierten Haus neben Jenzin wohnte.
Ohne auf Clementia zu achten, hastete sie der Nachbarin nach.
»Wen haben sie gefangen?«, flüsterte sie beklommen.
»Den jungen Hauptmann der Burgwachen.«
Änne taumelte einen Schritt zurück, als habe sie einen heftigen Schlag erhalten. Ihr wurde speiübel. Der Boden schien unter ihren Füßen zu wanken, dann fiel sie einfach um.
Erschrocken versuchte Bertha, ihren Sturz aufzuhalten. Clementia drängte sich zwischen den Menschen hindurch, die sofort zusammenliefen.
»Das Weib des Arztes ist ohnmächtig geworden«, hörte Änne Stimmen wie durch eine Nebelwand.
»Vielleicht ist sie endlich guter Hoffnung!«, rief jemand neben ihr fröhlich.
Sie öffnete die Augen, versuchte sich aufzusetzen, doch sofort wurde ihr so schlecht, dass sie das Frühmahl erbrach.
»Na, wenn das nicht nach Nachwuchs für Meister Marsilius aussieht«, meinte die Frau des Fleischers gutmütig. Sie wollte Änne aufhelfen, aber der intensive Geruch von Fleisch und Blut an ihren Händen brachte diese erneut zum Würgen.
»Hör auf, solchen Tratsch unter die Leute zu bringen!« Wütend schob Clementia die Frauen beiseite, die ihr im Weg standen. Mit skeptischem Blick musterte sie Änne, die sofort die Lider senkte. Wenn die Magd der Fleischersfrau glaubte, würde sie sich wohl ihren Teil dazu denken. Und der würde sicher nicht zugunsten Ännes ausfallen. Der Zeitpunkt dieser Schwangerschaft nach anderthalb Jahren ohne Anzeichen war zu auffällig.
Dennoch: Vorsichtig half Clementia ihr hoch und blaffte die anderen erneut an, gefälligst ihre Herrin in Ruhe zu lassen und keinen Klatsch aufzubringen.
»Warte!«, rief Änne der Gürtlerin nach. »Was weißt du noch?«
Zittrig ließ sie sich von den beiden besorgten Frauen ein paar Schritte zur Seite führen. Kurzerhand griff Clementia nach einer Kiepe, die der Korbmacher feilbot, drehte sie um und setzte ihre Herrin darauf.
»Sie haben ihn gestern am Donatstor erwischt«, flüsterte Bertha. »Unser Fuhrknecht war dabei und hat ihn auch auf dem Burghof gesehen, in einem Käfig, voll blutiger Wunden. Er soll wohl gehenkt werden.«
Änne konnte froh sein, dass sie saß und festgehalten wurde. Tränen flossen ihr aus den Augen, und sie begann, hemmungslos zu schluchzen.
»Ist ja gut«, brummte Clementia und tätschelte ihr hilflos die Schulter.
Eine der Frauen von den Marktständen kam und reichte ihr einen Becher. »Hier, trinkt! Das wird Euch helfen!«
Dankbar griff Änne nach dem Gefäß. Erst trank sie in kleinen Schlucken, schließlich leerte sie den Becher in einem Zug.
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