Billy Wilder. Eine Nahaufnahme by Hellmuth Karasek

Billy Wilder. Eine Nahaufnahme by Hellmuth Karasek

Autor:Hellmuth Karasek [Karasek, Hellmuth]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455851656
Herausgeber: Hoffmann und Campe
veröffentlicht: 2015-10-24T16:00:00+00:00


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Ein Betrunkener in New York

»Ein einziger (Drink) ist zuviel

und hundert sind nicht genug.«

Don Birnam (Ray Milland)

in THE LOST WEEKEND

Am 18. 1. 1946 notierte Thomas Mann in sein Tagebuch: »Abends nach Westwood ins Cinema: ›Lost Weekend‹ nach Jackson. Gut gemachter und als Darstellung der Sucht eindrucksvoller Film.«

Darstellung von Sucht, das war etwas Neues für Hollywood. Bis zu Wilders LOST WEEKEND waren Betrunkene auf der Leinwand immer komische Figuren. Der Slapstick, den sie veranstalteten, beruhte darauf, daß sie ihr Gleichgewicht nicht halten konnten, etwas doppelt sahen, das Schlüsselloch nicht fanden. Betrunkene im Film wurden zu Hause von ihren Frauen erwartet, die lauernd mit dem Nudelholz hinter der Tür standen.

Der gängige Betrunkene im amerikanischen Film war beispielsweise der Arzt, der morgens, die Sonne ist längst aufgegangen, die Vögel zwitschern schon, die Hähne haben gekräht, Milchmänner und Zeitungsjungen sind längst unterwegs, schwankend, den Hut im Genick, nach Hause kommt, klingelt und als die Frau die Tür öffnet, lallend und schielend sagt: »Ich hole nur meine Instrumententasche. Ich habe nämlich gleich eine komplizierte Hirnoperation.«

Komik hat oft etwas mit verlorener Würde zu tun, Besoffene verlieren mit dem Gleichgewicht ihre Würde. Seit Mack Sennett 1913 einen gewissen Charlie Chaplin in einer Show ›A Night In An English Music Hall‹ als komischen Trunkenbold gesehen und engagiert hatte, gab es zuerst im Stummfilm, dann im Tonfilm zahlreiche komische Säufer – bis zu W.C. Fields, der seine Nase gar nicht erst zu schminken brauchte, um den ›Saufaus‹ zu spielen, ganz wie im richtigen Leben.

Wilders LOST WEEKEND zeigt einen Mann, einen Schriftsteller, der durch den Alkohol seine Würde verliert, der immer tiefer fällt und das buchstäblich, der alles versetzt und zum Dieb wird, um trinken zu können – und diesem würdelosen Helden gibt der Film seine Würde zurück. Der Film ist absolut nicht komisch.

Wilder wollte in THE LOST WEEKEND den Alkoholismus als Krankheit und nicht als Vorwand für Komik zeigen. Den Alkoholiker anstelle des Säufers, den Kranken anstatt des Über-die-Stränge-Schlagenden. Auf den Roman von Charles R. Jackson stieß er ganz zufällig:



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