Amerikanische Reise by Ulrich Woelk

Amerikanische Reise by Ulrich Woelk

Autor:Ulrich Woelk [Woelk, Ulrich]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2012-02-13T10:29:30+00:00


Kristin öffnet, und Jan betritt den Flur. »Ausgeschlafen?« fragt er.

Sie nickt. »Du bist früh aufgestanden.«

»Um sieben.«

Kristin sieht erschöpft aus, als hätte sie bereits gearbeitet. Die Ringe unter ihren Augen sind dunkler als sonst. Obwohl Jan eine Woche mit ihr unterwegs gewesen ist, kommt es ihm vor, als sei sie über Nacht noch hagerer geworden.

»Kaffee?« fragt sie.

Jan nickt. »Gerne.« Er geht ins Wohnzimmer. »Ist Walter nicht da?«

»Er ist in der Bank. Sie haben ihn ja noch nicht entlassen. Er sagt, er will die Sache heute regeln.«

Jan setzt sich auf die Couch, die er morgens als Bett zurückgelassen hat. »Hat er eine Chance?«

Kristin kommt aus der Küche. Das Hemd, das sie wie immer über der Jeans trägt, ist zerknittert. Ihre Haare hat sie hinter dem Kopf zusammengesteckt, und im Moment kommt sie Jan vor wie eine Wissenschaftlerin, die sich um ihr Äußeres wenig kümmert.

»Ich glaube«, sagt sie, »er will ihnen vorschlagen, daß sie ihm die Zweihunderttausend als Kredit geben und er den Betrag dann abstottert.« Sie setzt sich. Aus ihrem Ton schließt Jan, daß sie nicht an den Erfolg dieses Plans glaubt.

»Welchen Grund hätten sie, ihm entgegenzukommen?« fragt er und denkt, daß es nicht sehr einfühlsam ist, Kristin in ihren Zweifeln zu bestärken.

Sie hebt die Schultern. »Er will versuchen, den Hergang der Geschichte aufzuklären. Er wird seinen Teil der Schuld auf sich nehmen, aber gleichzeitig darauf hinweisen, daß nicht er, sondern Neil letztlich verantwortlich ist. Er vermutet, daß man sich über die Illegalität der Geschichte relativ wenig Gedanken macht, im Gegenteil, daß die Illegalität für ihn fast noch ein Trumpf ist, weil damit der Ruf der Bank auf dem Spiel steht.«

Jan nickt. Vielleicht, denkt er, ist das bereits die Lösung: Walter bekommt seinen Kredit und behält seine Geschichte für sich, so wie Kristin die ihre. Und er, Jan, kehrt in ein paar Tagen zurück nach Deutschland.

Die Kaffeemaschine beginnt zu röcheln, Kristin geht in die Küche. Jan steht auf und sieht aus dem Fenster. Daneben steht der Monitor, auf dem wieder die Sterne des Bildschirmschoners quellen. Jan dreht sich um, und sein Blick fällt auf das Foto von Kristin. Vielleicht, denkt er, sollte er sie fragen, wie es entstanden ist.

Sie kommt mit zwei Tassen zurück. »Walter glaubt«, sagt sie, »daß es der Bank darum geht, den Schaden zu begrenzen und zu verhindern, daß auch nur ein Hauch der Geschichte an die Öffentlichkeit gelangt.«

Jan setzt sich wieder und nickt. »Gut möglich.« Er versucht sich selbst einzureden, daß Walters Optimismus gerechtfertigt ist.

Kristin trinkt ihren Kaffee und schweigt. Jan kann ihre Stimmung nicht recht einordnen. Er hat den Eindruck, sie ist nur zur Hälfte bei dem Gespräch. »Ich glaube«, sagt sie schließlich, »sie werden ihn dazu zwingen, das Land zu verlassen, und statt dessen lieber auf das Geld verzichten. Was sind zweihunderttausend Dollar für eine Bank! Gerade wenn ihr Ruf auf dem Spiel steht, werden sie ihn möglichst weit weg haben wollen.«

Jan wäre es lieber, das Thema zu beenden. Er weiß, daß sie recht hat, möchte es aber im Moment nicht wissen. »Könntest du dir denn



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