Amerika by Franz Kafka

Amerika by Franz Kafka

Autor:Franz Kafka
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: buecher de
veröffentlicht: 2009-10-08T05:02:13+00:00


Der Fall Robinson

Da klopfte ihm jemand auf die Schulter. Karl, der natürlich dachte, es wäre ein Gast, steckte den Apfel eiligst in die Tasche und eilte, kaum daß er den Mann ansah, zum Aufzug hin.

»Guten Abend, Herr Roßmann«, sagte nun aber der Mann, »ich bin es, Robinson.«

»Sie haben sich aber verändert!« sagte Karl und schüttelte den Kopf.

»Ja, es geht mir gut«, sagte Robinson und sah an seiner Kleidung hinunter, die vielleicht aus ziemlich feinen Stücken bestand, aber so zusammengewürfelt war, daß sie geradezu schäbig aussah. Das Auffallendste war eine offenbar zum erstenmal getragene weiße Weste mit vier kleinen, schwarz eingefaßten Täschchen, auf die Robinson auch durch Vorstrecken der Brust aufmerksam zu machen suchte.

»Sie haben teuere Kleider«, sagte Karl und dachte flüchtig an sein schönes einfaches Kleid, in dem er sogar neben Renell hätte bestehen können und das die zwei schlechten Freunde verkauft hatten.

»Ja«, sagte Robinson, »ich kaufe mir fast jeden Tag irgend etwas. Wie gefällt Ihnen die Weste?«

»Ganz gut«, sagte Karl.

»Es sind aber keine wirklichen Taschen, das ist nur so gemacht«, sagte Robinson und faßte Karl bei der Hand, damit sich dieser selbst davon überzeuge. Aber Karl wich zurück, denn aus Robinsons Mund kam ein unerträglicher Branntweingeruch.

»Sie trinken wieder viel«, sagte Karl und stand schon wieder am Geländer.

»Nein«, sagte Robinson, »nicht viel«, und fügte im Widerspruch zu seiner früheren Zufriedenheit hinzu: »Was hat der Mensch sonst auf der Welt.« Eine Fahrt unterbrach das Gespräch, und kaum war Karl wieder unten, erfolgte ein telephonischer Anruf, laut dessen Karl den Hotelarzt holen sollte, da eine Dame im siebenten Stockwerk einen Ohnmachtsanfall erlitten hatte. Während dieses Weges hoffte Karl im geheimen, daß Robinson sich inzwischen entfernt haben werde, denn er wollte nicht mit ihm gesehen werden und, in Gedanken an Theresens Warnung, auch von Delamarche nichts hören. Aber Robinson wartete noch in der steifen Haltung eines Vollgetrunkenen, und gerade ging ein höherer Hotelbeamter in schwarzem Gehrock und Zylinderhut vorüber, glücklicherweise ohne Robinson, wie es schien, besonders zu beachten. »Wollen Sie, Roßmann, nicht einmal zu uns kommen, wir haben es jetzt sehr fein«, sagte Robinson und sah Karl lockend an.

»Laden Sie mich ein oder Delamarche?« fragte Karl.

»Ich und Delamarche. Wir sind darin einig«, sagte Robinson.

»Dann sage ich Ihnen und bitte Sie, Delamarche das gleiche auszurichten: Unser Abschied war, wenn das nicht schon an und für sich klar gewesen sein sollte, ein endgültiger. Sie beide haben mir mehr Leid getan als irgend jemand. Haben Sie sich vielleicht in den Kopf gesetzt, mich auch weiterhin nicht in Ruhe zu lassen?«

»Wir sind doch Ihre Kameraden«, sagte Robinson, und widerliche Tränen der Trunkenheit stiegen ihm in die Augen. »Delamarche läßt Ihnen sagen, daß er Sie für alles Frühere entschädigen will. Wir wohnen jetzt mit Brunelda zusammen, einer herrlichen Sängerin.« Und im Anschluß daran wollte er gerade ein Lied in hohen Tönen singen, wenn ihn nicht Karl noch rechtzeitig angezischt hätte: »Schweigen Sie, aber augenblicklich; wissen Sie denn nicht, wo Sie sind!« »Roßmann«, sagte Robinson, nun rücksichtlich des Singens eingeschüchtert, »ich bin doch Ihr Kamerad, sagen Sie, was Sie wollen.



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