Als die Dunkelheit hereinbrach by Fee-Christine Aks
Autor:Fee-Christine Aks [Aks, Fee-Christine]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-8476-8057-4
Herausgeber: neobooks
veröffentlicht: 2015-12-30T16:00:00+00:00
*****
„Die Nazis sind Schweine!“ sagt die Mutter. „Ganz feige Schweine, alle miteinander.“
Sie sitzen in der Sommer’schen Küche und versuchen Axels Mutter irgendwie aufzumuntern. Drei Tage ist es her, dass der rote Hein die Todesnachricht brachte.
„Mal was anderes, Marie“, sagt Pauls Mutter. „Bei Frau Schuster ist eine Stelle frei geworden. Wenn du willst, kannst du als Näherin anfangen.“
Axels Mutter versucht zu lächeln.
„Danke, Grete“, murmelt sie. „Ich werd’s mir überlegen.“
Pauls Mutter lächelt und streichelt die kleine Annemarie, die sie auf dem Arm hält. Max Kirchhoff hält den Stürmer in der Hand, eine Nazizeitung. In den Treppenhäusern liegen jetzt immer Nazizeitungen aus.
„Damit Goebbels und der liebe Adolf nicht immer so übern Hof schreien müssen“, hat Max Kirchhoff spöttisch gesagt, als die Zeitungen von einem Tag auf den anderen plötzlich da lagen.
Mit dem „übern Hof schreien“ hat er Herrn Brauns Radio gemeint. Immer, wenn es irgendwelche Reden von seinem Führer oder dessen Propagandaminister im Rundfunk gibt, stellt Herr Braun sein kleines Kofferradio ins offene Fenster, dass die Stimmen nur so über den Hof brüllen. Fast scheint es, als stände der Redner beim Braun im Fenster und schreie seine Sätze den Häuserwänden entgegen, die alles um einiges verstärkt zurückwerfen, damit auch die Nachbarn auf der anderen Straßenseite noch etwas davon haben – wenn der Wind so ungünstig steht.
Schweigend und häufig die Stirn runzelnd studiert Max Kirchhoff das Naziblatt, das, wie er sagt, „eigentlich nur als Toilettenpapier eine richtige Funktion“ hat, braun genug sei es ja schon...
„Sie schreiben, es war ein bedauerliches Missverständnis“, sagt er leise. „Sie schreiben, es war Notwehr.“
Er bricht ab, als er merkt, dass seine Worte keinesfalls trösten.
Maria sieht zu Paul hinüber, der neben Liza auf der Fensterbank sitzt und ernst von einem zum anderen schaut. Pauline sucht ihren Blick – Maria erwidert ihn. Traurig gleitet Paulines Blick zu Axel, der neben seiner Mutter auf der Küchenbank hockt. Er hat kein einziges Wort gesagt in den drei Tagen. In der Schule war er auch nicht.
Paulines Mutter steht am Sommer’schen Herd und rührt in der Suppe. Paulines Geschwister lehnen an der Schulter der großen Schwester, Helene links, Johannes rechts. Pauline hat einen Arm um den kleinen Jojo gelegt, Leni kuschelt sich auf der anderen Seite an sie.
Alle schweigen.
Lizas Mutter hält es nicht länger aus, steht auf und drückt Max Kirchhoff den kleinen Léon in den Arm. Sie geht zum Geschirrschrank, holt zwei Suppenteller heraus und zwei Löffel aus der Schublade, legt vor Mutter und Sohn je einen Löffel und lässt die Teller von Paulines Mutter füllen.
„Das wird euch gut tun“, sagt sie, als sie die dampfende Suppe vor Axel und seine Mutter stellt.
„Danke, Sophia“, murmelt Axels Mutter und starrt auf die Suppe.
„Wer möchte?“ fragt Paulines Mutter und sieht in die Runde.
Keiner meldet sich. Das merkt sogar Axels Mutter.
„Greift ruhig zu“, sagt sie leise. „Wir werden schon nicht verhungern.“
„Dafür werden wir sorgen“, sagt Max Kirchhoff mit Nachdruck und schäkert mit dem kleinen Léon.
„Das ist lieb von euch“, sagt Axels Mutter dankbar. Sie hat sich gefasst und fängt an zu essen.
Maria kann den Blick nicht von Axel wenden.
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