Allmen und die Erotik by Suter Martin

Allmen und die Erotik by Suter Martin

Autor:Suter, Martin [Suter, Martin]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik
Herausgeber: Diogenes Verlag AG
veröffentlicht: 2018-09-25T22:00:00+00:00


11

In all den Jahren, in denen Allmen mit Herrn Arnold fuhr, hatte er nicht herausgefunden, wie gut dessen Spanisch war. Er begrüßte Carlos zwar mit »Buenos días« und verabschiedete sich mit »Hasta luego«, aber Allmen hatte keine Ahnung, ob der Chauffeur darüber hinaus noch mehr sprach oder verstand.

Es gab nun einmal Themen, die konnten er und Carlos selbst vor Herrn Arnold nicht besprechen, obwohl der natürlich die Diskretion in Person war. So wurde die halbstündige Fahrt von Heidstetten zurück zur Villa Schwarzacker an diesem ersten wahren Sommertag des Jahres eine mühselige Konversationsübung. Selbst für Allmen, der normalerweise bei Konversation eine gute Figur machte.

Aber seine Gedanken wanderten immer wieder zurück zu Jakob Sterner und dem, was er gesagt hatte, und dem, was es bedeutete.

»Ein Wegmacherhaus«, bemerkte Allmen. »Das gibt es auch nicht mehr – Wegmacher. Oder nennt man das jetzt anders?«

»Mir hat mal einer gesagt«, erzählte der Chauffeur, »als wir an einem Wegmacher vorbeifuhren, der die Böschung mähte, was glaubst du, wie der reagiert, wenn er nach Hause kommt und die Frau sagt …«

War es die richtige Entscheidung gewesen, die erotischen Stücke zu verheimlichen? Er hätte sie ihm ja nicht auszuhändigen brauchen. Leute, die Kostbarkeiten vernichteten und sie so ihren rechtmäßigen Erben entzogen, konnte man bestimmt bevormunden lassen. Die waren doch nicht urteilsfähig.

Arnold lachte über irgendetwas, und Allmen lachte höflich mit. Selbst Carlos hatte ein Lächeln auf den Lippen. »Man sollte noch den Rasen mähen«, prustete Arnold und erholte sich eine ganze Weile nicht mehr.

»Vielleicht heißen die jetzt einfach Straßenarbeiter«, mutmaßte Allmen.

»Oder Gemeindearbeiter. Ich glaube, Gemeindearbeiter.«

»Posible«, pflichtete Carlos bei.

Hätte er nicht einfach die Karten auf den Tisch legen sollen? Aber dafür war es jetzt zu spät. Er hätte das spontan entscheiden müssen. »Ja, wir haben insgesamt sechsunddreißig ›Zusätzliche‹ gefunden, Herr Sterner. Solche, die nicht auf der Inventarliste figurieren. Schmutzige, wie Sie sie nennen.«

»Die fahren auch die Schneepflüge, die Gemeindearbeiter«, hörte er Arnold sagen. »Die machen alles. Die haben jetzt so Reinigungsfahrzeuge, die streuen Salz, saugen Staub und Laub.«

»Allrounder«, kommentierte Allmen höflich.

»Die Maschine?«

»Und auch der Gemeindearbeiter.«

Einen Suchauf‌trag bekommen wir sowieso nicht, wenn es offiziell nichts zu suchen gibt, dachte Allmen. Aber wenn wir das »Zusätzliche« deklariert hätten, hätten wir ihm anbieten können, es im Auftrag eines anonymen Sammlers, dessen Namen nur dem Zwischenhändler oder Auktionator vertraulich genannt worden wäre, auf den Markt zu bringen. Aber eben, »dazu ist es zu spät«.

Die letzten fünf Worte waren ihm laut geraten.

Arnold blickte kurz über die Schulter, und auch Carlos sah ihn überrascht an.

Allmen improvisierte. »Um die Änderung der Berufsbezeichnung rückgängig zu machen. Ich finde Wegmacher viel besser. Vieldeutiger. Der Wegmacher macht nicht nur Wege, er macht auch Sachen weg. Laub, Schnee, Dreck, Gras und so weiter. Macht er alles weg, der Weg-Macher.«

Arnold lachte. »Der ist gut, sehr gut. Der Wegmacher hat den ganzen Tag weggemacht, und als er nach Hause kommt, sagt seine Frau zu ihm, vor der Garage hat ein großer Hund …«

Sie hatten die Villa Schwarzacker erreicht, und Allmen unterbrach den Fahrer. »Danke, Herr Arnold, Herr de Leon erledigt das Finanzielle, es handelt sich um eine Geschäftsfahrt.



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