10 by Das Dorf der Toten (1 of 2)

10 by Das Dorf der Toten (1 of 2)

Autor:Das Dorf der Toten (1 of 2) [Toten, Das Dorf der]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-07-01T08:57:50+00:00


Owain Glyndwr begann ein leises Gebet zu murmeln, als er das Kribbeln überall dort, wo der rote Schein ihn berührte, spürte.

Guy Fenian hinter ihm fluchte ebenso leise.

Beides änderte wenig.

Langsam stießen sie tiefer in den gewundenen Stollen vor, der irgendwo in eine größere Kaverne – Rhymneys Klause – münden mußte.

Zuvor aber hörten sie Stimmen.

Das Weinen eines Kindes!

Einen Moment kam ihr Vormarsch ins Stocken. Aber dann war es gerade dieses Geräusch, das die Selbstzweifel beendete. Guy Fenian drängte neben Owain Glyndwr, und Seite an Seite eilten sie weiter.

Der Geistliche hatte sein geweihtes Kruzifix aus der Tasche gezogen.

Das kühle Eisen, aus dem Fenian es geschmiedet hatte, schuf weitere Zuversicht.

Bis sie die Stelle erreichten, wo der Stollen endete.

Eine unsichtbare Mauer brachte sie gleichzeitig zum Stillstand.

Es war keine wirkliche Barriere – es war nur das Entsetzen über das, was sich ihren Blicken bot, als sie die Höhle und das satanische Schauspiel darin überblicken konnten.

Owain Glyndwrs Finger krampften sich um das Kruzifix, als wollten sie es in einem grotesken Kraftakt zerdrücken. Guy Fenian verfuhr ähnlich mit seinem Schwert.

In der Mitte der Höhle stand der Ursprung des lockenden, absto

ßenden, wunderbaren, häßlichen roten Schimmers, der sie hierher geführt hatte.

Es war ein … Gefäß. Ein unheilvolles Gebilde von selbst düsterroter, schroffer, aus tausend Teilen zusammengesetzt wirkender Oberfläche. Der Gegenstand war ganz offensichtlich einer Blume nachempfunden – einer Lilie. An der Spitze eines fast schnörkellosen Stiels befand sich der »Blütenkelch«, in dem es dunkel und feucht schimmerte. Blauschwarz. Das rötliche Licht ging von den Außenflächen des Gefäßes aus.

Als Owain Glyndwr es sah, durchzuckten ihn Assoziationen, die ihm angesichts der Frau, die vor dem Kelch am Boden kauerte, wie pure Blasphemie anmuteten: Das heilige Abendmahl … Wein aus Wasser, der SEIN Blut symbolisierte …

Von seinen Lippen löste sich gequältes Wimmern. Er hörte erst auf, als sich Fenians zupackende Hand in seinen Arm grub.

Die kurze visionäre Schau erlosch. Owain Glyndwr atmete wieder freier.

Er wußte nicht genau, was hier geschah. Er erkannte nur, daß sie Zeugen eines Rituals wurden, das sie besser nicht gesehen hätten, und von dem sich auch nicht sagen ließ, wie lange es schon andauerte.

Das Neugeborene lag nackt inmitten der Kälte auf einem dünnen Tuch ( es ist nicht kalt, wisperte es in Owain Glyndwrs Hirn) und schrie sich die Seele aus dem Leib.

Ein ungleich schlimmeres Bild aber bot Rhymneys Leichnam, der an einem Pfahl hing, welcher ihm zu Lebzeiten offenbar als Aufbewahrungsort seines wenigen Geschirrs gedient hatte. Die Nägel, die die jetzt am Boden verstreuten Töpfe, Pfannen und anderen Utensilien getragen hatten, bohrten sich in sein Rückenfleisch und hielten ihn auf diese makabre Weise aufrecht, obwohl das Leben sich längst aus ihm verabschiedet hatte – womöglich seit Ankunft der Hexe, dachte Owain Glyndwr mit einem fauligen Geschmack im Mund.

»Es ist die Gelegenheit!« riß Guy Fenian die Initiative an sich, während Owain Glyndwr noch unfähig, einen Finger zu rühren, dastand. »Ihr nehmt das Kind – ich kümmere mich um die Teufelsbraut! Sie sieht und hört uns nicht in ihrem verfluchten Treiben …!«

Owain Glyndwr wünschte sich, er hätte diese Zuversicht teilen können.



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