01 - Eine deutsche Sultana by Karl May

01 - Eine deutsche Sultana by Karl May

Autor:Karl May [May, Karl]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Action & Adventure
ISBN: MTHDHDH1
Herausgeber: MobileRead
veröffentlicht: 2012-01-25T09:01:44+00:00


»Das muß ein vornehmer Kerl gewesen sein,« bemerkte der Steuermann.

»Oder eine Vornehme. Es ist doch auch möglich, daß eine türkische Lady dringesessen hat.«

»Ich denke, daß dann Verschnittene nebenher gelaufen wären.«

Er hatte Recht. Die Person, welche in der Sänfte saß, war eine männliche. Die Träger hielten vor dem Thore des Palastes Ibrahim Paschas. Der Türke stieg aus und schritt langsam und in gravitätischer Haltung nach dem Hofe. Als er in denselben trat, wurde er von den Schwarzen erblickt.

»O Allah! Der Großvezier!« rief Einer, der ihn erkannte. Er warf sich sofort demüthig zur Erde und die Andern thaten dasselbe.

Den Titel Großvezier trug früher der Oberbefehlshaber der Truppen. Jetzt versteht man darunter den Ministerpräsidenten.

Daß er in dieser Weise kam, mußte ganz besondere Gründe haben! Gewöhnlich bewegt sich dieser Allerhöchste aller Würdenträger mit eben solchem Pompe wie der Großherr selbst auf den Straßen. Er hatte jedenfalls die Absicht, keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Als er über den Hof schritt, stieß er einen der da liegenden Sklaven mit dem Fuße an und fragte:

»Hund, ist Dein Gebieter daheim?«

»Ja, o Herr!« antwortete der Gefragte, doch ohne den Kopf auch nur um einen Zoll zu erheben. Dem Großvezier direct in das Gesicht zu sehen, wäre ein sehr strafbares Verbrechen gewesen.

»Eile und sage ihm, daß ich komme.«

Der Sclave erhob sich blitzschnell von der Erde und schoß davon. Der Vezier folgte langsam. Der Pascha kam ihm eiligst entgegen und verneigte sich so tief, daß er mit dem Gesichte fast den Boden berührte.

»Allah segne Deinen Eintritt, o Vezier!« grüßte er. »Er gebe Dir tausend Jahre und glückliche Erfüllung aller Deiner Wünsche!«

»Erhebe Dich und führe mich!«

Ibrahim führte ihn nicht in das Gemach, in welchem er mit dem Lord gesprochen hatte, sondern in ein anderes, viel einfacher ausgestattetes. Das hatte einen guten Grund. Der türkische Beamte zeigt niemals gern seinen Reichthum, obgleich es noch nicht lange her ist, daß der Sultan sein einziger Erbe ist. Starb ein Beamter, so wurde er vom Großherrn beerbt; die Verwandten erhielten nichts.

Der Großvezier ließ sich auf ein Kissen nieder und zog ein kostbares Bernsteinmundstück aus der Tasche. Dies war das Zeichen, daß er eine Pfeife haben wolle. Ein Sclave brachte einen Tschibuk, und der Minister schraubte höchst eigenhändig das Mundstück an. Als dann der Tabak in Brand gesteckt war, sagte er zu dem Pascha, welcher noch demüthig vor ihm stand:

»Setze Dich zu mir und genieße auch die Gabe Allahs. Die Wölkchen des Tabaks erquicken die Seele und stärken den Verstand. Ich habe mit Dir zu sprechen.«

Das war eine große Freundlichkeit, und der Pascha beeilte sich, ihr nachzukommen. Als dann die Tabakswolken sich duftend durch einander mischten, nahm der Vezier einen Schluck des von einem Sklaven knieend dargebrachten Kaffees und sagte:

»Mein Kommen hat Dich überrascht. Niemand darf es ahnen, daß ich bei Dir bin, und Du wirst zu keinem Menschen davon sprechen!«

»Befiehl, o Vezier, und ich lasse mir die Zunge aus dem Halse schneiden!«

»Das werde ich Dir nicht befehlen; so grausam bin ich mit keinem meiner Sklaven, viel weniger mit einem so treuen Diener, wie Du bist. Dein Vater Melek



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