Zwei Leben by Arenz Ewald
Autor:Arenz, Ewald [Arenz, Ewald]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783755810612
Herausgeber: Dumont
veröffentlicht: 2024-09-13T00:00:00+00:00
30
Es war noch nicht ganz hell, als sie aufwachte, also musste es noch sehr früh sein. Erster Mai. Die Nächte waren nun schon sehr kurz und hell. Es war vielleicht gut, dass Wilhelm auf ein paar Tage zu seinen GroÃeltern gefahren war. Die Frau Pfarrer wohnte dort, jetzt. Wenn der Sommer kam, hatten viele einen leichteren Schlaf und waren eher herauÃen als im Winter. Da hätte es leicht sein können, dass einer sie sah, wie sie aus dem Pfarrhaus schlich, am frühen Morgen. In letzter Zeit waren sie ein wenig unvorsichtig geworden. Von Anfang an hatten sie es geheim gehalten. Die Eltern hätten es sicher nicht verstanden, das wusste sie. Was willst du mit dem? Er wird ein Studierter. Das wird nichts. Der Pfarrersbub. Hältst dich für etwas Besseres? Du wirst schon sehen ⦠vielleicht war es genau das, weshalb sie es bisher nicht hatte sagen wollen. Weil sie Angst davor hatte, dass sie recht haben könnten. Und Wilhelm? Er ⦠sie wusste nicht genau, warum er es seinen Eltern nicht sagte. Es war nicht, als ob er sie versteckt hätte. Aber dem Herrn Pfarrer ⦠sie wusste gar nicht, ob der es merken würde, wenn sie einmal mit am Tisch sitzen würde.
Durch das weit offene Fenster hörte sie die erste Lerche. Es gab keinen schöneren Gesang. Frühling, Frühsommer. Später im Jahr sangen sie nicht mehr. Geh aus, mein Herz, dachte sie und erinnerte sich, wie sie es geliebt hatte, das in der Schule zu singen.
Dabei ist es schon ausgegangen. Dort drüben ist es, im Pfarrhaus.
Fast ein Jahr war es her, dass sie zurückgekommen war. Dass sie Wilhelm gesehen hatte, an jenem Tag, als sie mit dem Rad zum Sommerkeller gefahren war, an jenem viel zu heiÃen Frühlingstag. Da hatte alles angefangen.
Die Vorhänge bauschten sich ein wenig. Eine Brise wehte herein. Erst nach ein paar Augenblicken dachte sie, dass sie doch im Hof gar keinen Misthaufen mehr hatten. Trotzdem. Es roch nach frischem Mist. Sie stand auf und ging zum Fenster, um es zu schlieÃen, als sie sah, woher der Geruch kam. Sie hatten ihr einen Haufen vors Fenster gekippt. Natürlich. Es war Freinacht. Gestern hatte sie noch mit dem Opa alles in die Scheune geräumt und in die Maschinenhalle. Die Wäsche von der Leine genommen. Die Tore geschlossen.
Es stieg rot in ihr hoch. Ein Riesenhaufen war das. Von der StraÃe aus konnte jeder ihn sehen. Das ⦠da hatte eine Schubkarre nicht gereicht. Das waren bestimmt acht oder zehn Fuhren. Und sie wusste, woher der Mist kam. So viele Höfe gab es im Dorf nicht mehr, die nicht umgestellt hatten. Aber der vom Wolfgang noch nicht.
Wolfgang. Das hatte er nicht aushalten können. Was für ein schiecher Schleicher! Dass er so ⦠dass er das hatte tun können! Sie war doch nicht die Seine gewesen! Niemals. Er hatte kein Recht, ihr Mist vors Haus zu kippen. Gerade er nicht! Wer hatte denn versucht, sie zu küssen gegen ihren Willen?
Es fuhr ihr heià durch den Magen. Hatte er auch eine Linie gezogen? Sie beugte sich weit vor.
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