Yaccubs Fluch: Thriller (German Edition) by White Wrath James

Yaccubs Fluch: Thriller (German Edition) by White Wrath James

Autor:White, Wrath James [White, Wrath James]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783865523310
Herausgeber: Festa
veröffentlicht: 2014-09-29T22:00:00+00:00


Kapitel 12

»Das Wesen des Menschen ist nicht das, als was er geboren ist, sondern das, wozu er geboren ist.«

– Aristoteles

Ich lag wach, schälte die Bleifarbe vom Fensterbrett und sah zu, wie der Mond am Himmel entlangzog. Das Rascheln der Chitinpanzer von Hunderten, vielleicht Tausenden von Schaben war auf dem Linoleum zu hören, begleitet von den Geräuschen der großen Kanalratten, die in der Zimmerecke umherhuschten und die ohnehin schon großen Risse in ihr noch vergrößerten, rumpelnd und polternd, als ob sie etwas Schweres mit sich herumschleppten. Es kam mir lächerlich vor, dass ich, nachdem ich bei dem Versuch, Geld zu machen, über so viele Leichen gegangen war, immer noch im Dreck hauste.

In diesen drückenden, feuchten Julinächten saß ich oft am offenen Fenster und lauschte dem Treiben auf den Straßen. Stöhnen, Lachen, Geschrei und Gelächter, Rapper, die den Takt nicht halten konnten, Angeberei und gegenseitiges Aufziehen, Schlägereien, Schüsse und das Sirenengeheul der Rettungswagen, die kamen, um die Verwundeten aufzulesen. Das gehörte alles zu meiner kleinen Ghetto-Welt, und von allem, was ich kannte, kam dies für mich einem Schlaflied am nächsten.

Ich lag dort und versuchte, mir Handlungen und Gesichter zu all den Geräuschen und Stimmen vorzustellen und an dem teilzuhaben, was diese Leute erlebten. Ich saß im Dunkeln und fragte mich, wer gerade jemanden zu Boden warf, wer gerade Kugeln abfeuerte. Und wer dabei draufging. Die süßen Seufzer von Frauen und das leidenschaftliche Grunzen von Männern waberten durch die dicke, dunstige Luft und ich überlegte, wer dort gerade gefickt wurde und warum ich allein war. Ob es eine Frau oder eine Freundin war. Ob sie Spaß dabei hatte oder ob der Gestank von abgestandenem Schweiß und Bier sie zum Würgen brachte, während irgendein Neandertaler sich grunzend auf ihr abrackerte. Doch in dieser Nacht wusste ich, dass die Frau, die wieder und wieder aufschrie, keinen Spaß hatte. Und ich wusste, dass der Mann, der sie beschimpfte und sie wieder und wieder schlug, es nicht zum Spaß tat, sondern um eine Katharsis zu erlangen. Er versuchte, seine eigene Angst und Hoffnungslosigkeit auf jemand anderen zu übertragen, weil er glaubte, sich auf diese Weise von seinem Schmerz befreien zu können. Und ich wusste, dass es nicht funktionieren würde. Das tat es nie.

Ein Schrei der Todesangst zerriss die Stille der Nacht. Ich hatte den Eindruck, das Todesröcheln hören zu können, das dem Schrei folgte. Wer auch immer diese Frau vergewaltigt hatte, hatte soeben die Schwelle zum Mord überschritten. Für einen Moment blieb es still und ich fing an einzudösen. Dann hörte ich es – ein leises Kichern, das zu einem gackernden Lachen anschwoll, einem vertrauten Lachen. Ich hätte schwören können, dass es Scratch war. Aber warum hatte er es nötig, irgendeine Schlampe zu vergewaltigen, wenn ihm doch jeden Tag Frauen, die dringend seinen Stoff brauchten oder sich von seinem Geld und seinem Schmuck blenden ließen, freiwillig ihre Mösen anboten? Es war absurd, also verwarf ich diese Idee und hatte sie völlig vergessen, als ich wieder aufwachte.

Mom machte gerade Frühstück und der Geruch von Speck und Würstchen lockte mich aus dem Bett.



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