Wut und Wellen (German Edition) by Gerdes Peter

Wut und Wellen (German Edition) by Gerdes Peter

Autor:Gerdes, Peter [Gerdes, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Mystery & Crime
ISBN: 9783939689911
Herausgeber: Leda-Verlag
veröffentlicht: 2011-05-24T22:00:00+00:00


28.

Es war dunkel, ihr war kalt, trotzdem schwitzte sie. Ihre Beine waren schwer wie Blei, und obwohl sie kaum Alkohol getrunken hatte, schwankte sie von einer Seite des Weges zur anderen. Ihr Magen schmerzte. Aus ihren Därmen gluckerte es unheilverkündend wie aus einer defekten Kanalisation. Ingeborg Salewsky blieb stehen. Ihr Atem ging keuchend.

Ich schaffe es nicht, dachte sie.

Bisher war ihr die Insel stets überschaubar vorgekommen. Ein Grund, warum sie sich entschieden hatte, hier Urlaub zu machen. »Hermann«, hatte sie gesagt, nachdem sie zum ersten Mal diesen Entschluss gefasst hatte, »Hermann, wir müssen mal zur Ruhe kommen. Stress abbauen. Reizüberflutung abstellen. Wir gehen dorthin, wo es überschaubar ist. Wo sich alles in Grenzen hält, verstehst du? Das Wasser, das Meer, das ist eine Grenze, die man nicht ignorieren kann. An die hält man sich, und die hält alles von einem fern, was man im Urlaub nicht haben will. Hermann, wir fahren nach Langeoog.«

Hermann hatte komisch geguckt, das wusste sie noch. Offenbar fühlte er sich vom Leben in der Großstadt nicht wirklich gestresst. Der hatte gut reden, der ging ja auch jeden Tag in die Firma, da hatte er seine Ruhe. Aber sie? Was war mit ihr? Sie musste sich dem wahren Leben stellen. Kind, Familie, Nachbarschaft, Einkauf. Stress pur! Sie wusste, was sie im Urlaub brauchte. Da gab es kein Vertun.

Hermann hatte noch irgendwas gemosert von wegen Watt und Ebbe und dass man die Grenze dann ganz locker überschreiten könnte. Dummes Zeug. Rückzugsgefechte – sie kannte ihren Hermann. Schließlich hatte er eingesehen, was gut für ihn war. Und es schien ihm hier auch gut zu gefallen. Trotz der Panik, als ihre kleine Tochter am Strand von diesem Sittlichkeitsverbrecher angesprochen worden war, damals vor zwei Jahren. Wenn Ingeborg Salewsky nur daran dachte, brach ihr der Schweiß noch stärker aus als ohnehin schon. Wenn sie nicht gewesen wäre, wenn sie die Polizei nicht alarmiert hätte, nicht auszudenken! Aber wer hatte ihr diesen Einsatz gedankt? Nicht einmal Hermann.

Diesmal hatte sich ihr Mann einen Durchfall zugezogen. Weil diese Sanddornmarmelade verdorben gewesen war oder vergiftet oder was nicht alles. Wieder war sie es gewesen, Ingeborg Salewsky, die zur Polizei gegangen war und Alarm geschlagen hatte. Wieder einmal war alles, aber auch alles an ihr hängen geblieben. Hermann hatte seelenruhig in der Ferienwohnung auf der Schüssel gehockt und nur gemeint: »Lass man, das wird schon wieder.« Also wirklich, ein Gemüt hatte der manchmal! Und natürlich wieder kein Wort des Dankes.

Der Gipfel war natürlich dieser Überfall gewesen, diese Untat eines Perversen, den die unfähige Inselpolizei natürlich immer noch nicht gefasst hatte. Eine Verletzung immerhin, die mit zwei Stichen hatte genäht werden müssen und die sie den ganzen Abend unter dem Pflaster gespürt hatte, trotz der wirklich bequemen Stühle in diesem teuren Restaurant. Aber dass ihr da jemand ans Leben gewollt hatte, glaubte sie nach reiflicher Überlegung nicht. Das war wohl eher eine verschrobene Art der unsittlichen Annäherung gewesen. Vielleicht die ostfriesische Variante des Stalkings. Vielleicht hatte sie ja einer – markieren wollen. Weil er sie heimlich verehrte. Ein Gedanke, an dem sie zu einem anderen Zeitpunkt vielleicht sogar Gefallen gefunden hätte.



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