Wozu Religion? by Eugen Drewermann
Autor:Eugen Drewermann
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: epub, ebook, QuarkXPress
ISBN: 978-3-451-81083-1
Herausgeber: Verlag Herder GmbH
veröffentlicht: 2017-04-21T16:00:00+00:00
Jesus – Gottes Sohn
Haben die Kirchen und die Theologen die Botschaft dieses Mannes von Nazareth nicht oft eher verdunkelt als erschlossen?
Ja. Wir haben die Auseinandersetzung, die psychisch in uns in Form von Widerständen stattfindet, in Form von Projektionen in Gott hinein verlegt. Und die Widersprüche, die wir haben, wenn wir Jesus zuhören, haben wir als Brüche in Gott reflektiert. Statt Psychologie haben wir eine projizierte Theologie. Nur, deren Widersprüche können wir nicht mehr lösen. Am Ende stirbt Jesus, damit er Widersprüche in Gott löst. Das hat er selber nie gedacht. Jesus hat gewiss gemerkt, was ihm blüht, wenn er eintritt z.B. für Hungernde, für Ausgegrenzte, was für eine Rebellion er damit auslöst und was für einen Hass er damit auf sich ziehen wird. Doch er hat gedacht: »Da muss ich durch. Es hilft jetzt gar nichts, wir müssen das ausstehen, nicht aussitzen, aber ausstehen. Wir können nicht den Zentimeter hinter die Wahrheit zurück. Lass sie doch machen, was sie wollen.« Das war die Meinung Jesu. Das ist der Grund, dass nach höchstens zwei Jahren seines öffentlichen Wirkens Golgatha und die Kreuzigung standen. Gerade weil Gott wollte, dass jemand endlich so lebt, wie Jesus sich das vornahm, erhob sich der ganze Widerspruch auf der Seite der Menschen, ja, er kulminierte geradezu darin.
Jesus, Gottes Sohn. Wie kann man das begreifen? Was bedeutet das für Sie, Mensch und Gott zugleich, menschliches und göttliches Leben? Ist das nicht schwer zu begreifen?
Wir müssen die Sprache der ersten Konzilien in den ersten vierhundert Jahren der Kirche, die dann über das Dogma bis heute verpflichtend geworden ist, aus ihrer Zeit heraus verstehen. Wer von »Sohn Gottes« spricht, hat natürlich die Sprache der altorientalischen Königsideologie oder der -mythologie vor sich. Die alten Ägypter haben so gesagt, und jeder, der ein bisschen Ägyptologie gelernt hat, braucht nur die Kartuschen an den Pharaonennamen zu sehen: Er sieht eine Gans mit einer Sonne. Das bedeutet: der Sonnensohn, sa Re. Das ist eine der fünf Nomenklaturen für den Pharao. Er ist der Sohn der Sonne. Man will damit sagen: wer den Pharao, einen König, begreift, der versteht ihn nicht als bloßen Menschen. Der Pharao ist Repräsentant der Himmelsmacht. Der Pharao ist die Gottheit auf der Erde. Der Name Tut ench Amun z.B. sagt: das lebende Bild des Gottes Amun ist der 18-jährige Pharao Tut ench Amun. Er regiert wie die Sonne am Himmel. Das ist genauso eine stehende Formel schon um 1500, 2000 v.Chr., viel früher vor Christus, als wir es danach sagen. Solche Vorstellungen sind über die Königspsalmen, über manche Bilder der Propheten, auch ins Alte Testament gekommen und dann im Hellenismus, im Diaspora-Judentum, in Teilen aus dem Diaspora-Judentum, das sich zum Christusglauben bekannt hat, sehr wörtlich genommen, metaphysisch genommen worden und unter den Einfluss der griechischen Philosophie geraten. Die Frage war jetzt: Was bedeutet die Aussage: der König, der Messias, der Christus ist der Sohn Gottes? Für die Ägypter war das ein Bild für die Funktion eines Königs, der in seiner irdischen Macht Repräsentant der Himmelsmacht ist. Im Denken der griechischen Philosophie wird daraus eine Naturaussage.
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