Wir Tiere: Roman (German Edition) by Torres Justin

Wir Tiere: Roman (German Edition) by Torres Justin

Autor:Torres, Justin [Torres, Justin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-09-29T22:00:00+00:00


Enten

Paps kam mit müden Augen und blutroten Ohren nach Hause und drängte sich an Ma, drückte sie gegen die Küchentheke, küsste sie und kniff sie an verschiedenen Stellen, und Ma, die gerade in die Brauerei gehen wollte, sagte: »Stopp, stopp, stopp.«

Aber Paps hörte nicht auf; er legte seine Arme um ihre Taille und zog sie zum Schlafzimmer. Sie schleifte mit den Füße hinterher, versuchte, sich an der Theke festzuhalten, an der Wand, dem Türrahmen, und sagte: »Stopp, Süßer, ich mein’s ernst«, und ihre Stimme wurde leiser und tiefer, »stopp«. Er hob ihre Füße vom Boden und zog sie die Treppe hinauf, verlachte ihren Zorn. Sie hielt sich am Geländer fest, und er zerrte so lange von hinten an ihr, bis sie losließ. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, wir schon. Ihre Augen suchten wild und verzweifelt nach Halt, und für einen Augenblick sah sie uns mit diesem Flehen an – sie brauchte Hilfe, aber wir standen nur da, außer Reichweite, sahen zu. Dann wurde ihr Gesicht flach und beruhigte sich ein wenig; sie lächelte sogar ein kleines trauriges Lächeln. Was sahen wir dort? Enttäuschung? Verzeihen? All das war im nächsten Moment vorüber, nur ganz kurz, dann trat Paps die Tür zu.

Wir Jungs holten unsere Decken aus den Betten und die Polster von der Couch und bauten uns ein Nest vor dem Fernseher. Wir wollten nicht oben schlafen. Wir schliefen mit dem blauen Geblitze auf den Augenlidern ein, und das Stöhnen und Flüstern der spätnächtlichen Werbung erfüllte unsere Träume.

Ma ging schließlich zur Nachtschicht und kam wieder heim. Sie rüttelte uns wach und sagte: »Steigt in diesen Pick-up und fragt nicht. Für Fragen habe ich keine Zeit.«

Ma nannte ihn »diesen Pick-up« oder »den Pick-up eures Vaters«; Paps hatte den Wagen nicht wie versprochen zurückgegeben, und wir wussten, das würde er auch nie tun.

Wir fuhren zu einem Park, wo es ein mit Stufen umgebenes weißes Gartenhaus gab und umgedrehte Kanus, die halb im Fluss lagen. Es gab Schaukeln mit schwarzen Gummisitzen, von denen die meisten kaputt an ihren Ketten in den Schlammfurchen darunter baumelten. Es gab eine breite, fleckige Wiese vom Wasser bis hoch zur Straße, und unser Pick-up stand halb auf dem Gras und halb auf dem Seitenstreifen. Es gab keine Kinder; die waren alle in der Schule.

Auf der Ladefläche des Wagens standen Müllsäcke, prall gepackt mit unseren Sachen, das weiße Plastik spannte sich zu einer milchigen Durchsichtigkeit, und hier und da waren sie von den Kanten von Briefen, Umschlägen und Bildern durchstochen. Ma hatte sich in der Kabine auf die Bank gelegt und gesagt, sie brauche ein Nickerchen, hatte sich gegen das Tageslicht einen Unterarm über die Augen geschoben – und überall auf der Wiese lag Tau, zersplitterte die Sonne in Lichtflecken, eine Million Babysonnen, die sich an das Gras klammerten.

Wir drei Jungs trampelten im Park herum, den Pick-up immer im Auge. Wir entdeckten einen Schössling, der von einem Hühnerdrahtgeflecht geschützt war, und wir bogen den Baum bis zum Boden, bis er fast am Fuße des Stamms abbrach – das gelbe Fleisch in der Rinde war feucht und traurig.



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