Wilsberg 03 - Gottesgemuese by Kehrer Juergen

Wilsberg 03 - Gottesgemuese by Kehrer Juergen

Autor:Kehrer, Juergen [Kehrer, Juergen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Grafit
veröffentlicht: 2013-12-04T05:00:00+00:00


IX

Ich wachte auf und musste niesen. Dabei merkte ich, dass mein Kopf auf etwas Nassem, Kaltem lag. Ich machte die Augen auf und sah gelb. Sand. Ich wälzte mich herum. Überall Sand. Mutterseelenallein lag ich am Strand, frühmorgens im Winter. Das beste Klima, um sich eine beidseitige Lungenentzündung zu holen. Die Nase war bereits verstopft, und erste Schluckversuche endeten schmerzhaft. Ich setzte mich auf. Das Meer leckte an meinem linken Schuh, ansonsten schien ich einigermaßen trocken und unverletzt zu sein, jedenfalls ließen sich noch alle Glieder bewegen. Ich überlegte, wo meine Erinnerung stehen geblieben war. Ach ja, das Gespräch mit Martin Kunstmann. Und dann hatte mich jemand mit einer stinkenden Flüssigkeit betäubt. Netter Zug von dieser Kirche für angewandte Philosophie, mich nicht gleich umzubringen, sondern langsam erfrieren zu lassen. Ich stemmte mich hoch und torkelte die Dünen hinauf. Erst jetzt merkte ich, dass ich meine eigenen Klamotten anhatte. Sie hatten also den Kofferraum meines BMW geknackt. Hoffentlich stand er noch an seinem Platz! Alles, wonach mich jetzt gelüstete, war ein heißes Bad im Hotel. Ob sie wohl den Kerl im Kofferraum gefunden hatten? Wenn nicht, ging es ihm wahrscheinlich nicht besser als mir. Vielleicht sogar schlechter. Aber daran wollte ich nicht denken.

In der Ferne sah ich die oberste Etage des Reha-Zentrums. Meine Leiche sollte wohl nicht in seiner Nähe gefunden werden. Mir blieb nichts anderes übrig, als den Dünenwanderweg zu nehmen. Immerhin, die Bewegung tat mir gut, die Arme und Beine wärmten sich langsam auf, und hätte ich nicht dauernd niesen müssen, wäre daraus fast so etwas wie ein Morgenspaziergang geworden.

Vor dem Reha-Zentrum bog ich ab und nahm den Umweg über die Hauptstraße, um nicht in Sichtweite der Tempelritter zu kommen. Von der Straße aus näherte ich mich vorsichtig dem Parkplatz. Kein BMW. Ich suchte in meinen Taschen. Kein Autoschlüssel. Der ganze Weg umsonst. Ich hätte heulen können.

Auf dem Rückweg in den Ort machte ich einen Schlenker ins Wäldchen. Der Wagen des Ordensmannes stand nicht mehr hinter dem Holzstapel. Eigentlich war ich ganz froh darüber, dass er die Nacht im Warmen verbringen durfte.

So sehr mich auch die Badewanne reizte, sah ich doch ein, dass das Dringendste zuerst getan werden musste. Verfroren, hundemüde, verdreckt und mit triefender Nase betrat ich die Polizeiwache am Ortseingang. Der einzige Polizeibeamte starrte mich entgeistert an. Penner, die im Winter am Strand schliefen, hatte es bis dahin auf Norderney noch nicht gegeben.

Ich räusperte mich. »Mein Name …«, meine Stimme war eine Oktave tiefer als üblich, »… ist Georg Wilsberg. Ich bin Privatdetektiv. Ich möchte einen Fall von Freiheitsberaubung anzeigen.«

Er kriegte den Mund nicht zu.

»Es handelt sich um das Haus der Kirche für angewandte Philosophie, draußen am Strand. Dort wird ein Mann gegen seinen Willen festgehalten.«

Er schluckte mit einem lauten Glucksen. »Wer sind Sie?«

»Das habe ich doch schon gesagt: Georg Wilsberg.«

»Ihren Ausweis!«

Ich tastete meine hintere Hosentasche ab. Natürlich, das Portemonnaie war auch verschwunden.

»Tut mir leid, ich habe keinen dabei.«

»Irgendetwas anderes, womit Sie sich ausweisen können, Führerschein oder so?«

»Mein Portemonnaie mit allen Papieren ist mir gestohlen worden.«

»Aha.« Er schien nicht überzeugt.



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