Wildwechsel - Kriminalroman by Wuerth Rainer

Autor:Wuerth, Rainer [Wuerth, Rainer]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-04-28T04:00:00+00:00

14

In der Aussegnungshalle war es dunkel wie in einer Höhle. Und kühl. Alle waren da. Die meisten in Uniform. So ist das eben, dachte Bruno, wenn ein leitender Polizeibeamter das Zeitliche segnet. Der Sarg, der ein paar Meter vor ihm stand, schien ihm zu klein für seinen Vater zu sein. Kränze und Blumen waren darum herumdrapiert.

Der Pfarrer war ein dünner, blasser Mann. Weihrauchgeruch stieg Bruno in die Nase. Ein Gefühl, dass er nicht hierhergehörte. Wie ein Film lief alles vor ihm ab. Er saß zwischen Lady Di und Siegrist. Siegrist war nicht in Uniform, was Bruno wunderte. Lady Di wischte sich ein paar Tränen ab.

Die Idee, ein Foto neben den Sarg zu stellen, gefiel Bruno. Sein Vater in Uniform – die er selten getragen hatte. Zumindest in jener Zeit, als das Foto aufgenommen worden war. Da hatte er bereits das Drogendezernat unter sich gehabt. Er hatte seine Karriere hier gemacht. Nicht ganz so steil wie Brinkmann. Aber derartige Posten bekam man nur durch die richtigen Beziehungen. Das hatte nichts mit guter Arbeit zu tun. Bruno warf einen Blick auf ihn. Brinkmann bohrte gerade genüsslich in der Nase. Die Notizen für seine Rede hatte er auf seinem rechten Oberschenkel liegen. War Brinkmann bereits in Rente? Wenn ja, dann konnte das erst seit ein paar Tagen sein. Ein Nachfolger war noch nicht gefunden. Der Vize leitete die Polizeidirektion kommissarisch, bis man eben denjenigen fand, der an der Reihe war und dem man das Amt zuschanzen musste. Bruno wünschte Brinkmann, dass er mehr von seiner Rente haben würde. Nicht so wie sein Vater. Der perfekte Staatsdiener: kaum draußen und schon sterben, dachte Bruno. Allerdings sah Brinkmann auch nicht gut aus. Blass, ein wenig gelblich, und er schien immer fetter zu werden. Selbst wenn sein Kopf mitmachen würde: bei seiner Figur – das konnte nicht gut sein für das Herz.

Wie nahe sie dem Vater gewesen war in den letzten Wochen vor seinem Tod. Die Mutter. Er muss sie fast physisch neben sich gespürt haben. Wie einen Geist oder einen Engel. Und bald waren sie wieder zusammen. In derselben Erde. Im Tod vereint, wenn man daran glaubte. Es hatte keine neue Frau gegeben im Leben seines Vaters, nachdem seine Mutter ermordet worden war. Nur eine lockere Verbindung mit einer Kollegin. Das war über ein paar Jahre gegangen. Doch bei ihnen eingezogen war sie nie. Hatte sie Herta geheißen oder Helga? Bruno hatte ihren Namen vergessen. Soweit er sich erinnerte, war sie irgendwann zum BKA gewechselt.

Er muss sehr einsam gewesen sein, dachte Bruno. Hat sich in seine Arbeit gestürzt. Das war seine Therapie. Was ihn, Bruno, betraf, war die Schwester seines Vaters eingesprungen – Tante Susanne. Und deren Mann, Onkel Werner. Sie waren kinderlos. Onkel Werner war Briefträger gewesen. Die beiden hatten ihn mächtig verwöhnt. Dieser Junge, ohne Mutter … Tante Susanne und Onkel Werner gab es auch nicht mehr. Vor ein paar Jahren waren sie kurz hintereinander gestorben. Wie das bei alten Ehepaaren oft passiert.

Jetzt sprach Brinkmann. Er war verschwitzt. Seine Gesten wirkten fahrig. Bruno hatte den Abgang des Pfarrers verpasst.

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