Wild wie das Meer (German Edition) by Joyce Brenda

Wild wie das Meer (German Edition) by Joyce Brenda

Autor:Joyce, Brenda [Joyce, Brenda]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: CORA Verlag GmbH und Co. KG
veröffentlicht: 2010-06-30T22:00:00+00:00


14. KAPITEL

Virginia schaute aus dem Fenster der Kutsche, die früh am Morgen Askeaton verließ. Sean stand im Hof und winkte, und als die Kutsche in den Hauptweg einbog, wurden er und das Herrenhaus kleiner und kleiner, bis Sean schließlich gar nicht mehr auszumachen war. Virginia spürte einen fürchterlichen Kloß im Hals. Ein Teil von ihr hatte Askeaton nicht verlassen wollen. Vermisste sie Sean bereits, oder war es die Geborgenheit, der sie nachtrauerte? Trost und Freundschaft waren ihr dort zuteil geworden.

Oder hatte sie Angst, was denn die Zukunft ihr bringen mochte?

Ich möchte dich bitten, meinen Bruder zu retten.

Virginia sog die kalte, feuchte Luft ein, die in ihrer Lunge ein brennendes Gefühl auslöste. Ein großes Entsetzen bemächtigte sich ihrer. Ich will niemanden retten, dachte sie aufgewühlt, schon gar nicht ihn!

Sie warf einen verstohlenen Blick auf ihren Entführer. Er saß neben ihr auf der Rückbank und wirkte viel zu groß in der Enge der Kutschkabine. Nur wenige Zoll trennten sie von ihm.

Ich denke, du bist zu einem Winkel seines Herzens vorgestoßen, der vor langer Zeit verkümmert ist.

Virginia zuckte zusammen und wünschte sich, sie könnte Seans Stimme aus ihrem Kopf vertreiben.

Sie seufzte im Stillen. Warum hatte Sean sie gedrängt, seinen Bruder aufzurütteln und eine alte, tief sitzende Wunde zu heilen? Warum nur? Wieso übernahm diese große Aufgabe nicht eine andere Frau, eine, die stärker, viel erfahrener und weiblicher war? Sie wollte nicht seine Retterin sein. Sean musste am vergangenen Abend von Sinnen gewesen sein, wenn er glaubte, sie wäre diejenige, die diesem Mann sein menschliches Verhalten zurückgeben könnte.

Mein Bruder braucht die Liebe einer guten Frau ...

Jetzt entwich ihr ein Seufzer, doch es war zu spät, um ihn aufzuhalten.

Sie spürte seinen Blick.

Seine Augen ruhten kühl, gefasst und furchtbar gleichgültig auf ihr.

Sie wagte einen weiteren Seitenblick in seine Richtung und verschränkte die Hände in ihrem Schoß.

„Bist du krank?“, fragte er.

„Ich ... habe schreckliche Kopfschmerzen.“

Ihre Blicke trafen sich, wenn auch nur für einen Augenblick. Scheinbar akzeptierte er ihre Ausrede und schaute dann mit derselben Gleichgültigkeit aus dem Fenster. Starker Regen hatte eingesetzt.

Sie sah seine harte Kieferpartie, die gerade Nase, den starken Wangenknochen. Ihr Herz krampfte sich zusammen, und die ihr vertraute innere Unruhe nahm zu. Dieser Mann zog sie nach wie vor in seinen Bann, wider jegliche Vernunft. Sie glaubte, förmlich zu spüren, wie er sie ganz gefangen nahm.

Doch Sean hatte sich in vielerlei Hinsicht geirrt. Devlin benahm sich ihr gegenüber gleichgültig und kümmerte sich nicht um sie – das konnte unmöglich Verstellung sein. Und sie war gewiss nicht der einzige Mensch auf Erden, der seine verlorene Seele zu retten vermochte.

Aber jeder verdient eine zweite Chance. Was hast du zu verlieren, meine Liebe?

Mit einem Mal saß Virginia kerzengerade auf der Bank, denn es war die Stimme ihrer Mutter gewesen, die sie eben vernommen hatte.

„Wir haben keinen Schiffsarzt, aber falls die Schmerzen zu stark werden, weiß ich, wo das Laudanum aufbewahrt wird.“

Sie wandte sich ihm mit großen Augen zu. „Ich brauche kein Laudanum“, flüsterte sie. Nun schaute sie wieder aus dem Fenster, und ihre Gedanken schweiften zurück in ihre Kindheit, zu ihrer liebevollen Mutter und den unbeschwerten Tagen auf Sweet Briar.



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