Wild (German Edition) by Klassen Lena

Wild (German Edition) by Klassen Lena

Autor:Klassen, Lena [Klassen, Lena]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Wild
ISBN: 9783931989798
Herausgeber: Drachenmond Verlag
veröffentlicht: 2013-03-13T00:00:00+00:00


20.

Im nächsten Moment wimmelte es um uns herum von Menschen. Sie schienen blind in alle Richtungen zu laufen. Sämtliche Lichter, die eben noch durchs Blattwerk schimmerten, erloschen.

Der Junge hielt meine Hand so fest, dass mir nichts anderes übrig blieb, als neben ihm über den unebenen Waldboden zu stolpern. Wir brachen durchs Gebüsch, links und rechts von uns hörte ich andere Leute, unter deren Schritten Zweige knickten und Blätter raschelten.

»Was ist eigentlich …«, wollte ich fragen, aber er unterbrach mich sofort.

»Still. Kein Wort.«

Wir rannten nicht zu einem Treffpunkt, wie ich zunächst erwartete. Nach und nach zerstreuten sich alle, und ich hörte nur noch meinen eigenen keuchenden Atem und sein leises Schnaufen. Unsere Schritte waren die einzigen; wir waren allein. Mir fiel auf, dass ich auch den Hubschrauber nicht mehr über uns hörte.

Gabriel blieb stehen, neigte lauschend den Kopf, und zog mich unter ein Gebüsch. Er war so dicht neben mir, dass ich seinen feinen Schweißgeruch wahrnehmen konnte – wie ich nach der zweitägigen Wanderung durch Sumpf und Wald roch, wollte ich gar nicht wissen –, und sein Herz hämmerte gegen meinen Rücken.

»Rühr dich nicht von der Stelle«, wisperte er in mein Ohr. »Wenn wir Glück haben, sehen sie uns nicht. Wenn ich los sage, rennst du und wartest nicht auf mich.«

Ich nickte, zum Zeichen, dass ich verstanden hatte. Ich bezweifelte eigentlich, dass ich vor irgendetwas davonlaufen konnte. Meine Beine zitterten so stark, dass ich mich hinknien musste, um nicht umzufallen.

Wir warteten.

Ein Donnerschlag ließ mich hochschrecken. Glühendes Licht überzog den Nachthimmel, Flammen leckten über die Wolken. Es knallte noch ein paar Mal, dann wurde es so still wie nie zuvor. Ich wagte nicht danach zu fragen, was das gewesen war, doch es musste etwas Schlimmes sein, denn Gabriel zuckte zusammen und stöhnte leise, als hätte der Lichtblitz irgendetwas in ihm getroffen und verbrannt. Doch so wie Orion alle Schmerzen unterdrückte und die Schreie hinunterschluckte, schwieg auch er und harrte aus. Es war nicht mehr ganz so dunkel wie vorher, ein flackernder Schein erhellte den Himmel, und die Luft roch bitter nach Rauch. Bestimmt brannte es dort hinten, wo wir kurz zuvor noch gewesen waren, in dem getarnten Lager unter den Bäumen. Ob der Junge wohl Angst hatte, dass nicht alle entkommen waren? Dann dachte ich an Orion und den Arzt und das Skalpell, das ich in seiner Hand hatte aufblitzen sehen, bevor Helm mich aus dem Zelt schleppte, und die Furcht schnürte mir die Kehle zu.

Wir warteten, und während die Kälte mir durch die Haut drang, war ich kurz weg – die Erschöpfung und der Schreck warfen mich in ein dunkles Loch. Doch sobald mich jemand am Arm berührte und mich leicht schüttelte, war ich wieder wach. Wie ich merkte, war ich gegen Gabriels Schulter gesunken. Schuldbewusst richtete ich mich auf, da legte er mir den Finger an die Lippen, um mir zu bedeuten, still zu sein. Im nächsten Moment sah ich auch schon, warum.

Ich musste länger geschlafen haben, als es mir vorgekommen war, denn die Nacht war einem diffusen grauen Licht gewichen.



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